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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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erblickte Henri auf dem Hügel die französische Fahne, die sich stolz am Himmel entrollte. Die Gendarmen hoben ihre Standarte in die Höhe, und man hörte von beiden Seiten Musketenschüsse als Freudenzeichen. Gegen elf Uhr schien die Sonne auf diese Szene der Verwüstung; sie trocknete einige Teile der Ebene und machte den Kamm eines Verbindungsweges gangbar.
    Henri, der zuerst diesen Pfad versuchte, nahm an dem Klang der Hufeisen seines Pferdes wahr, daß eine gepflasterte Straße von dem Flecken nach dem Hügel führte; er schloß daraus, die Pferde würden bis über die Hufe, bis an das halbe Bein, vielleicht bis an die Brust in den Morast einsinken, aber, durch den soliden Grund des Bodens unterstützt, sich über Wasser halten.
    Er forderte auf, den Versuch zu machen, und wagte sich, da niemand sonst den Mut dazu besaß, hinaus auf den gefahrvollen Weg. In demselben Augenblick, wo er den Flecken verließ, sah man einen Reiter vom Hügel herabkommen und es, wie Henri, versuchen, den Weg nach dem Flecken zu gewinnen.
    Der ganze Abhang des Hügels war mit zuschauenden Soldaten besetzt, die ihre Arme zum Himmel erhoben und den unvorsichtigen Reiter durch ihr Flehen zurückhalten zu wollen schienen.
    Die beiden Trümmer des großen französischen Armeekorps verfolgten mutig ihren Weg und gewahrten bald, daß ihre Aufgabe minder schwierig war, als es den Anschein hatte.
    Schon waren die Reiter nur noch zweihundert Schritte voneinander entfernt.
    »Frankreich!« rief der Reiter, der vom Hügel herabkam.Und er lupfte sein von einer weißen Feder beschattetes Toquet.
    »Ah! Ihr seid es, Monseigneur,« rief Henri mit einem Freudenschrei.
    »Du, Henri, du, mein Bruder,« rief der andere Reiter.
    Und auf die Gefahr, rechts oder links vom Wege abzukommen, sprengten sie aufeinander zu, und unter dem wütenden Beifallgeschrei der Zuschauer im Flecken und auf dem Hügel umarmten sich bald die beiden Reiter lange und zärtlich.
    Sogleich entblößten sich der Flecken und der Hügel; Gendarmen und Cheveaulegers, hugenottische und katholische Edelleute stürzten auf den durch die beiden Brüder geöffneten Weg.
    Bald waren die beiden Lager vereinigt; die Arme öffneten sich, und auf dem Wege, wo alle den Tod zu finden geglaubt hatten, hörte man dreitausend Franzosen »Dank dem Himmel!« und »Es lebe Frankreich!« rufen.
    »Meine Herren!« rief plötzlich die Stimme eines hugenottischen Offiziers. »Es lebe der Herr Admiral! müssen wir rufen, denn dem Herrn Herzog von Joyeuse und keinem andern verdanken wir das Leben in dieser Nacht und dieses Glück, unsere Landsleute zu umarmen.«
    Ein ungeheurer Beifallsruf begleitete diese Worte.
    Die Brüder wechselten ein paar von Tränen fast erstickte Worte; dann fragte Joyeuse Henri: »Und der Herzog?«
    »Er ist tot,« antwortete dieser.
    »Ist die Nachricht sicher?«
    »Die Gendarmen von Aunis haben sein ertrunkenes Pferd gesehen und an einem Zeichen erkannt. Dieses Pferd zog an seinem Steigbügel einen Reiter nach, dessen Kopf in das Wasser getaucht war.«
    »Das ist ein trauriger Tag für Frankreich,« sagte der Admiral.
    Dann fügte er, sich gegen seine Leute umwendend, hinzu:»Auf, meine Herren, verlieren wir keine Zeit. Sind einmal die Wasser abgelaufen, so werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach angegriffen; verschanzen wir uns, bis uns Nachrichten und Lebensmittel zugekommen sind.«
    »Aber, Monseigneur,« erwiderte eine Stimme, »die Kavallerie wird nicht marschieren können! Die Pferde haben seit gestern um vier Uhr nichts gefressen, die armen Tiere sterben vor Hunger.«
    »Es ist Korn auf unserem Lagerungsplatz,« sagte der Fähnrich; »doch wie machen wir es mit der Mannschaft?«
    »Ei!« versetzte der Admiral, »wenn es Korn gibt, braucht man nicht mehr; die Menschen werden wie die Pferde leben.«
    »Mein Bruder,« sagte Henri, »seht zu, daß ich Euch einen Augenblick sprechen kann.«
    »Ich will den Flecken besetzen,« erwiderte Joyeuse, »wähle eine Wohnung für mich und erwarte mich dort!«
    Henri suchte seine beiden Gefährten wieder auf.
    »Ihr seid inmitten einer Armee,« sagte er zu Remy; »ich rate Euch, verbergt Euch in der Wohnung, die ich nehmen werde; es geziemt sich nicht, daß jeder die edle Frau sieht. Diesen Abend, wenn alles schläft, werde ich darauf bedacht sein, Euch freier zu machen.«
    Remy quartierte sich mit Diana in der Wohnung ein, die ihnen der Fähnrich der Gendarmen überließ. Gegen zehn Uhr kam der Herzog von Joyeuse mit schmetternden

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