Die Fünfundvierzig
manchmal Wunder wirkt.
»Gleichviel, Kleiner,« sagte er, als ob er auf seinen ersten Gedanken zurückkäme, »gleichviel, du bist ein ganz artiges Mönchlein; doch du gehst in Wirtshäuser und gar in Wirtshäuser, wo man schöne Frauen findet, und du bleibst entzückt vor dem Fenster stehen, wo man ihren Schatten sehen kann; Kleiner, Kleiner, ich werde es Dom Modeste sagen.«
Der Schlag traf scharf, schärfer sogar, als es Chicot gedacht hatte, denn er vermutete anfangs nicht, die Wunde würde so tief werden, Jacques wandte sich um, einer Schlange ähnlich, die man mit den Füßen tritt.
»Das ist nicht wahr,« rief er, rot vor Scham und Zorn, »ich schaue nicht nach den Frauen.«
»Doch, doch!« fuhr Chicot fort, »es war im Gegenteil eine sehr schöne Frau im Kühnen Ritter , als du herauskamst, und du hast dich umgewandt, um sie noch zu sehen, und ich weiß, daß du im Türmchen auf sie wartetest, und ich weiß, daß du sie gesprochen hast.«
Da konnte Jacques nicht mehr an sich halten.
»Allerdings habe ich sie gesprochen,« rief er, »ist es eine Sünde, mit Frauen zu sprechen?«
»Nein, wenn man mit ihnen nicht aus eigenem Antrieb und durch eine Versuchung Satans bewogen spricht.«
»Satan hat mit alldem nichts zu tun, und ich mußte wohl mit dieser Dame sprechen, da ich beauftragt war, ihr einen Brief zu übergeben.«
»Beauftragt von Dom Modeste?« – »Ja, klagt nun bei ihm.«
Einen Augenblick betäubt und in der Finsternis tappend, fühlte Chicot bei diesen Worten einen Blitz die Dunkelheit seines Gehirnes durchzucken.
»Ah!« sagte er, »ich wußte das wohl.« – »Was wußtet Ihr?«
»Das, was du mir nicht sagen wolltest.« – »Ich sage meine Geheimnisse nicht einmal und noch viel weniger die von andern .«
»Ja; aber mir.« – »Warum Euch?«
»Mir, der ich ein Freund von Dom Modeste bin, und dann mir ...« – »Nun?«
»Mir, der ich zum voraus alles weiß, was du mir sagen könntest.« – Der kleine Jacques schaute Chicot, den Kopf schüttelnd und mit einem ungläubigen Lächeln an.
»Soll ich dir erzählen, was du mir nicht erzählen willst?« fragte Chicot. – »Erzählt es mir.«
»Vor allem,« sagte Chicot, »ist der arme Borromée ...«
Jacques' Gesicht verdüsterte sich.
»Oh!« sagte der Knabe, »wenn ich dabei gewesen wäre ...«
»Wenn du dabei gewesen wärest?« – »So würde die Sache nicht so gegangen sein.«
»Du hättest ihn gegen die Schweizer verteidigt, mit denen er Streit bekommen?« – »Ich hätte ihn gegen jeden verteidigt.«
»Somit wäre er nicht getötet worden?« – »Oder ich wäre mit ihm getötet worden.«
»Nun, du warst nicht dabei, und der arme Teufel ist in einem abscheulichen Wirtshause gestorben und hat sterbend den Namen von Dom Modeste ausgesprochen?« – »Ja.«
»Man hat Dom Modeste davon benachrichtigt?« – »Ein Mann erschien ganz bestürzt und machte Lärm im Kloster.«
»Und Dom Modeste ließ seine Sänfte kommen und eilte nach dem Füllhorn?« – »Woher wißt Ihr das?«»Oh! du kennst mich noch nicht, Kleiner; ich bin ein Stück von einem Hexenmeister.«
Jacques wich zwei Schritte zurück.
»Das ist noch nicht alles,« fuhr Chicot fort, der sich, während er sprach, durch das eigene Licht seiner Worte erleuchtete, »man fand einen Brief in der Tasche des Toten.« – »Einen Brief, so ist es.«
»Und Dom Modeste beauftragte seinen kleinen Jacques, diesen Brief an seine Adresse zu überbringen.« – »Ja.«
»Und der kleine Jacques lief auf der Stelle nach dem Hotel Guise.« – »Oh!«
»Wo er niemand fand ...« – »Guter Gott!«
»Als Herrn von Mayneville.« – »Barmherzigkeit.«
»Der Jacques in das Wirtshaus zum Kühnen Ritter führte.« – »Herr Briquet! Herr Briquet, wenn Ihr das wißt!«
»Alle Wetter, du siehst wohl, daß ich es weiß,« rief Chicot triumphierend. – »Ihr seht also wohl, Herr Briquet, daß ich nicht schuldig bin.«
»Nein,« erwiderte Chicot, »du bist weder durch Handlung noch durch Unterlassung schuldig, wohl aber in Gedanken.« – »Ich?«
»Gewiß, du findest die Herzogin sehr schön.« – »Ich!!«
»Und du wendest dich um, damit du sie noch einmal durch die Scheiben siehst.« – »Ich!!!«
Das Mönchlein errötete und stammelte: »Es ist richtig, sie gleicht einer Jungfrau Maria, die zu den Häupten meiner Mutter war.«
»Oh!« murmelte Chicot, »wieviel geht für die Leute verloren, die nicht neugierig sind.«
Dann ließ er sich von dem kleinen Clement alles
Weitere Kostenlose Bücher