Die Fünfundvierzig
ich bin alt,« sagte Chicot.
»Ja, aber Kenner,« entgegnete Borromée.
»Ah! du spottest,« dachte Briquet; »warte, warte. Aber,« fuhr er fort, »es gibt einen Umstand, der meiner Bemerkung ihren Wert benimmt.«
»Welchen Umstand?«
»Daß Bruder Borromée als würdiger Lehrer, davon bin ich überzeugt, Jacques aus Gefälligkeit hat treffen lassen.«
»Ah! ah!« machte Jacques, ebenfalls die Stirn faltend.
»Nein, gewiß nicht,« erwiderte Borromée, an sich haltend, im .Grunde aber im höchsten Maße erbost; »ich liebe Jacques sicherlich, aber ich verderbe ihn nicht durch solche Gefälligkeiten.«
»Das ist zum Erstaunen,« versetzte Chicot, »entschuldigt mich, ich hatte es geglaubt.«»Aber Ihr, der Ihr sprecht versucht es doch einmal,« sagte Borromée. »Oh! schüchtert mich nicht ein!«
»Seid unbesorgt, man wird Nachsicht mit Euch haben. Man kennt die Gesetze der Kirche.«
»Heide!« murmelte Chicot.
»Nun, Herr Briquet, nur einen Gang.«
»Versuche es,« sagte Gorenflot, »versuche es.«
»Ich werde Euch nicht wehe tun,« sagte Jacques, der nun ebenfalls die Partie seines Lehrmeisters nahm und seinerseits ein wenig zu beißen wünschte; »ich habe eine sehr sanfte Hand.«
»Ein liebes Kind,« murmelte Chicot, indem er auf den jungen Mönch einen unbeschreiblichen Blick heftete, der in einem stillen Lächeln endigte.
»Nun denn,« sagte er, »da es alle wollen...«
»Ah! bravo!« riefen die Beteiligten, den Triumph vorwegnehmend.
»Nur sage ich Euch zum voraus, daß ich nicht mehr als drei Gänge annehme,« sagte Chicot.
»Wie es Euch beliebt,« erwiderte Jacques.
Langsam erhob sich Chicot von der Bank, auf die er sich wieder niedergesetzt hatte, schloß sein Wams, zog seinen Fechthandschuh an und befestigte seine Maske mit der Schnelligkeit einer Schildkröte, die nach Fliegen schnappt.
»Wenn dieser auf deine geraden Stöße zur Parade kommt,« flüsterte Borromée Jacques zu, »so tue ich keinen Gang mehr mit dir, das sage ich dir.«
Jacques machte ein Zeichen mit dem Kopf, begleitet von einem Lächeln, das bedeutete: »Seid unbesorgt, Meister.«
Chicot nahm stets mit derselben Langsamkeit und Umsicht seine Stellung und streckte seine langen Arme und Beine aus, die er durch ein Wunder von Genauigkeit so richtete, daß er ihre ungeheure Federkraft und unberechenbare Entwicklung verbarg.
Die Lektion.
Chicot stellte sich gerade und fest auf die Beine, mit einem schneidigen und zugleich nervigen Faustgelenke, mit einem Degen, der von der Spitze bis zur Hälfte der Klinge biegsames Rohr zu sein schien und vom Stichblatt bis zur Mitte ein unbiegsamer Stahl war.
Als er diesen ehernen Mann vor sich sah, dessen Faustgelenk allein lebendig zu sein schien, trat bei Jacques eine Ungeduld ein, die auf Chicot keine andere Wirkung hervorbrachte, als daß sie seinen Arm und sein Bein bei der geringsten Blöße abspannte, die er in dem Spiel seines Gegners wahrnahm, und man begreift, daß bei der großen Lebhaftigkeit des Gegners diese Blößen häufig vorkamen. Bei jeder verlängerte sich dieser große Arm um drei Fuß und traf die Mitte der Brust des Bruders mit einem so methodischen Knopfstoße, als ob ein Mechanismus ihn geleitet hätte und nicht ein ungleiches und Ungewisses Organ von Fleisch, und bei jedem von diesen Stößen machte Jacques, rot vor Zorn und Wetteifer, einen Sprung rückwärts.
Zehn Minuten lang entwickelte der junge Mensch alle Mittel seiner wunderbaren Behendigkeit; er stürzte vor wie eine Tigerkatze, er bog sich zurück wie eine Schlange, er schlüpfte unter Chicots Brust, sprang rechts und links; aber dieser erfaßte mit seiner ruhigen Miene und seinem langen Arm die geeignete Zeit, drückte das Rapier seines Gegners auf die Seite und sandte stets den furchtbaren Knopf an seine Adresse.
Bruder Borromée erbleichte beim Zurückströmen aller Leidenschaften, die ihn kurz zuvor übermäßig aufgereizt hatten.
Endlich drang Jacques zum letzten Male auf Chicot ein, der, da er ihn durchaus nicht lotrecht auf seinen Beinen sah, ihm eine Blöße bot, damit er gänzlich ausfiele. Jacquesverfehlte nicht, dies zu tun, und Chicot, der steif parierte, brachte den armen Zögling dergestalt von der Linie des Gleichgewichts ab, daß er die Haltung verlor und hinfiel.
Unbeweglich, wie ein Fels, war Chicot auf derselben Stelle geblieben.
Bruder Borromée zernagte sich die Finger bis aufs Blut. »Ihr habt uns nicht gesagt, daß Ihr eine Säule des Fechtsaales wäret,« murrte
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