Die Fünfundvierzig
Entdeckung seine Aufmerksamkeit in Anspruch und nötigte ihn, die Augen nach einem anderen Punkte zu richten.Es öffneten sich die beiden Flügel des Fensters von Gorenflots Balkon, und man sah die ehrwürdige Rundung des Priors erscheinen, der mit seinen großen, weit aufgesperrten Augen, mit seinem Festtagslächeln und seinen höflichsten Manieren eine Dame führte, die beinahe ganz unter einem mit Pelz verbrämten Samtmantel begraben war.
»Oh! oh!« sagte Chicot zu sich selbst, »das ist das Beichtkind. Der Gang ist jugendlich; sehen wir uns den Kopf an; nun, dreht Euch noch ein wenig auf diese Seite, vortrefflich! Es ist in der Tat sonderbar, daß ich beinahe bei allen Gesichtern, die ich sehe, Ähnlichkeiten finde. Eine ärgerliche Manier von mir! Gut! nun kommt der Stallmeister. Oh! oh! in ihm täusche ich mich nicht, es ist Mayneville. Ja, ja, der aufwärts gedrehte Schnurrbart, der Degen mit dem muschelförmigen Stichblatt, ja, er ist es; doch überlegen und schließen wir ein wenig: wenn ich mich bei Herrn von Mayneville nicht täusche, alle Wetter! warum sollte ich mich in Frau von Montpensier irren? denn diese Frau ist beim Teufel die Herzogin.«
Man wird es glauben, daß Chicot von diesem Augenblick die beiden erhabenen Personen nicht mehr aus dem Gesichte verlor. Nach Verlauf einer Minute sah er hinter ihnen das bleiche Gesicht Borromées erscheinen, den Mayneville wiederholt befragte.
»So ist es,« sagte er, »alles ist dabei; bravo! Konspirieren wir, das ist so Mode; aber warum will die Herzogin bei Dom Modeste Pension nehmen, sie, die schon das Haus von Bel-Esbat hundert Schritte von hier hat?«
In diesem Augenblick erhielt Chicots Aufmerksamkeit eine neue Richtung. Während die Herzogin mit Gorenflot plauderte oder ihn vielmehr zum Plaudern veranlaßte, machte Herr von Mayneville irgend jemand außen ein Zeichen.
Chicot hatte aber niemand gesehen, als den Mann, derdie Messungen machte, und an ihn war in der Tat die Gebärde gerichtet; daraus ging hervor, daß der Mann nicht mit Messungen beschäftigt war. Er war vor dem Balkon im Profil und das Gesicht gegen Paris gekehrt stehengeblieben.
Gorenflot setzte seine Liebenswürdigkeiten gegen das Beichtkind fort. Herr von Mayneville sagte Borromée ein paar Worte ins Ohr, und dieser fing auf der Stelle an, sich hinter dem Prior auf eine Weise zu bewegen, die für Chicot unverständlich, aber für den Mann mit den Messungen klar war, denn er entfernte sich und wählte seinen Standpunkt auf einer andern Stelle, wo ihn eine neue Gebärde Borromées wie eine Bildsäule festnagelte.
Nachdem er einige Sekunden unbeweglich geblieben war, nahm er auf ein neues Zeichen von Bruder Borromée eine Übung vor, die Chicot um so mehr beschäftigte, als er unmöglich ihren Zweck erraten konnte. Von dem Orte, wo er stand, lief der Mann bis zur Pforte der Priorei, während Herr von Mayneville seine Uhr in der Hand hielt.
In diesem Augenblick wandte sich der Mann um, und Chicot erkannte in ihm Nicolas Poulain, den Leutnant der Prevoté oder Stadtvogtei, denselben, der ihm am Tage zuvor seine alten Panzer abgekauft hatte.
»Oho! es lebe die Lige!« sagte er. »Ich habe nun genug gesehen, um das übrige mit ein wenig Anstrengung zu erraten.«
Nach einigen Gesprächen zwischen der Herzogin, Gorenflot und Mayneville schloß Borromée das Fenster wieder, und der Balkon blieb öde und leer.
Die Herzogin und ihr Stallmeister verließen die Priorei, um in die Sänfte zu steigen, die ihrer harrte. Dom Modeste, der sie bis zur Pforte begleitet hatte, erschöpfte sich in Bücklingen.
Die Herzogin hielt die Vorhänge ihrer Sänfte noch offen, um die Komplimente des Priors zu erwidern, alsein Jakobinermönch, der durch die Pforte Saint-Antoine aus Paris herauskam, sich zuerst vor die Pferde, die er neugierig anschaute und dann neben die Sänfte stellte, in die er einen Blick tauchte.
Chicot erkannte in diesem Mönch den kleinen Jacques, der mit großen Schritten vom Louvre zurückkehrte und in Entzückung vor Frau von Montpensier stehenblieb.
»Oh! oh!« sagte er, »ich habe Glück. Wäre Jacques früher gekommen, so hätte ich die Herzogin nicht sehen können. Nun, da Frau von Montpensier, nachdem sie ihre kleine Verschwörung gemacht hat, abgegangen ist, kommt die Reihe an Nicolas Poulain. Mit ihm bin ich in zehn Minuten fertig.«
Nachdem die Herzogin an Chicot, ohne ihn zu sehen, vorübergekommen war, fuhr sie in der Tat nach Paris, und Nicolas Poulain schickte sich
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