Die Fünfundvierzig
Brief zu übergeben, den ich ihr zu schreiben die Ehre haben werde.«
Her Herzog ließ sich von seinem Soldaten das zum Schreiben Nötige geben und übergab den geschlossenen Brief Ernauton. »In drei Tagen,« sagte dieser, »ist das Schreiben übergeben.«
»Zu eigenen Händen?« – »An die Frau Herzogin von Montpensier selbst.«
Der Herzog drückte seinem Gefährten die Hände und sank dann ermattet, Schweiß auf der Stirn, auf das frische Stroh zurück.
»Mein Herr,« sagte der Soldat in einer Sprache, die Ernauton sehr wenig mit der Tracht im Einklang zu stehen schien, »Ihr habt mich gebunden wie ein Kalb, das ist wahr; aber, wollt Ihr oder wollt Ihr nicht, ich sehe dieses Band als eine Kette der Freundschaft an und werde es Euch geeigneten Orts und zu geeigneter Zeit beweisen.«
Und er reichte ihm eine Hand, deren Weiße der junge Mann schon wahrgenommen hatte.
»Es sei,« sagte Carmainges lächelnd, »ich habe also nun zwei Freunde mehr.«
»Spottet nicht,« erwiderte der Soldat, »man hat nie zu viel.«
»Es ist wahr, Kamerad,« sagte Ernauton und entfernte sich.
Der Pferdehof.
Gegen die Mitte des dritten Tages kam Ernauton in Paris an. Um drei Uhr nachmittags erschien er im Louvre bei den Fünfundvierzig.
Als ihn die Gaskogner sahen, stießen sie ein Geschrei des Erstaunens aus. Herr von Loignac trat auf dieses Geschrei ein und nahm, als er Ernauton erblickte, das verdrießlichste Gesicht an, was Ernauton nicht abhielt, gerade auf ihn zuzugehen.
Herr von Loignac hieß den jungen Mann durch ein Zeichen in ein Kabinett kommen, das am Ende des Schlafsaales lag.
»Benimmt man sich so, mein Herr?« sagte er sogleich; »Ihr seid nun, wenn ich richtig zähle, fünf Tage und fünf Nächte abwesend, und Ihr, den ich für einen der Vernünftigsten hielt, gebt das Beispiel einer solchen Übertretung?« – »Mein Herr,« entgegnete Ernauton, sich verbeugend, »ich habe getan, was man mich tun hieß.«
»Und was hat man Euch tun heißen?« – »Man hat mir befohlen, Herrn von Mayenne zu folgen, und ich bin ihm gefolgt.«
»Fünf Tage und fünf Nächte hindurch?« – »Fünf Tage und fünf Nächte hindurch.«
»Der Herzog hat also Paris verlassen?« – »An demselben Abend, und das kam mir verdächtig vor.«
»Ihr hattet recht... sodann?«
Ernauton erzählte gedrängt, aber mit der Wärme und Energie eines Mannes von Herz das Abenteuer auf dem Wege und die Folgen, die dieses Abenteuer gehabt hatte. Je weiter er in seiner Erzählung vorrückte, desto mehr strahlte Loignacs bewegliches Gesicht alle Eindrücke wider, die der Redende in seiner Seele hervorbrachte.
Als aber Ernauton auf den Brief zu sprechen kam, den ihm Herr von Mayenne anvertraut hatte, rief Herr von Loignac: »Ihr habt diesen Brief?« – »Ja.«
»Teufel! das verdient einige Aufmerksamkeit,« sagte der Kapitän; »erwartet mich oder vielmehr kommt mit mir, ich bitte Euch.«
Ernauton ließ sich führen und gelangte hinter Loignac in den Pferdehof des Louvre, wo alles zu einer Ausfahrt des Königs vorbereitet war. Herr von Epernon sah zu, wie man zwei neue Pferde probierte, die als Geschenk Elisabeths an Heinrich III. aus England gekommen waren.
Während Ernauton am Eingang des Hofes blieb, näherte sich Loignac Herrn von Epernon und berührte ihn unten an seinem Mantel.
»Neuigkeiten, Herr Herzog,« sagte er, »große Neuigkeiten.«
Der Herzog verließ die Gruppe, bei der er stand, und ging zu der Treppe, auf der der König herabkommen mußte.
»Sprecht, Herr von Loignac, sprecht!« – »Herr von Carmainges kommt von jenseits Orleans; Herr von Mayenne liegt in einem Dorfe gefährlich verwundet.«
Der Herzog ließ einen Ausruf vernehmen und wiederholte: »Verwundet!« – »Mehr noch,« fuhr Loignac fort, »er hat an Frau von Montpensier einen Brief geschrieben, den Herr von Carmainges in seiner Tasche trägt.«
»Oh! oh!« machte Epernon. »Parfandious! Laßt Herrn von Carmainges kommen, damit ich selbst mit ihm sprechen kann.«
Loignac holte Ernauton herbei, »Herr Herzog,« sagte er, »hier ist unser Reisender.«
»Gut, mein Herr, Ihr habt, wie« es scheint, einen Brief vom Herrn Herzog von Mayenne?« fragte Epernon. – »Ja, gnädigster Herr.«
»Geschrieben in einem kleinen Dorfe bei Orleans?« – »Ja, gnädigster Herr.«
»Und adressiert an Frau von Montpensier?« – »Ja, gnädigster Herr.«
»Habt die Güte, mir diesen Brief zu geben.«
Der Herzog streckte die Hand mit der ruhigen Nachlässigkeit eines
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