Die Fuenfzig vom Abendblatt
Kriminalpolizei doch überrundet! Harald wischte sich den Regen aus dem Gesicht! Und dieser Kriminalkommissar Haustecher, wieso saß der nicht im „Goldenen Anker“ bei seinem angeblichen Skat?
Plötzlich war Harald nur noch Zuschauer. Es war beinahe so, als säße er im ersten Rang eines Kinos und erlebe jetzt die Schlußszene eines aufregenden Kriminalreißers. „Hände hoch!“ Das Ausheben einer Falschmünzerbande. So etwas konnte sich doch in Wirklichkeit nicht abspielen. Das mußte doch Kintopp sein oder zumindest der Inhalt einer jener billigen Kriminalromane---
Bis jetzt plötzlich Glas splitterte, einer der Kriminalbeamten da unten einfach zur Seite geworfen wurde, ein Schuß fiel, Rufe und Stimmen laut wurden.
Blitzartig hatte Harald in der Gestalt, die jetzt schon im Dunkeln und im Regen verschwunden war, den Zeitungshändler erkannt. Krüger, den Anführer der ganzen Bande. Ausgerechnet ihm war es anscheinend gelungen, im letzten Augenblick auszubrechen. Selbstverständlich versuchten jetzt auch die anderen noch ihr Glück. Harald bemerkte die Unruhe, als er sich jetzt am Dach herunterließ und wieder zur Erde sprang. Er sah noch, wie auch Kriminalkommissar Haustecher plötzlich eine Pistole in der Hand hielt, hörte, wie er „Stehen bleiben“ brüllte, bemerkte noch, wie einer der Beamten über Bulle herfiel, der auch durch die Tür ins Freie stürzen wollte. Aber dann hatte Harald bereits wieder Boden unter seinen Füßen und rannte jetzt, was das Zeug hielt.
Die Rolle als Zuschauer war schlagartig zu Ende. Er saß nicht mehr im Kino. Das alles war doch kein Kriminalroman. Es war Wirklichkeit. Und er, Harald, war wieder mittendrin. „Halt — Stehen bleiben!“
Es rief hinter ihm her. Es fielen sogar Schüsse. Ob das ihm galt oder dem flüchtenden Krüger, das war jetzt gleichgültig. Er rannte einfach. Mitten durch die Wasserpfützen, jener Backsteinmauer zu, in diese Toreinfahrt von Nummer 14. Dort hinter der Treppe stand ja sein Fahrrad. — Schon wollte er sich in den Sattel schwingen, da fiel sein Blick auf eine DKW-Maschine 250 Kubikzentimeter. Ihr Standlicht brannte, ihr Schlüssel steckte. Das war doch —
Wie Schuppen fiel es dem Jungen von den Augen. Nun wußte er plötzlich, woher er den Kerl in seinem grauen Gummimantel kannte. Genauso gut kannte wie dieses Motorrad.
Harald warf sein Fahrrad wieder zur Seite. Ein Motorrad war jetzt nicht zu verachten. Schon beim zweiten Starten sprang die Maschine an — Wie war das doch? Bremse auf — langsam Kupplung loslassen — und dann —
Zuerst bockte die Maschine, ruckte — sprang einen guten Meter — wie ein Pferd, das die Sporen bekommen hat. Aber dann bog sie aus der Toreinfahrt heraus in die Hansemannstraße ein und ratterte zum Großen Stern hinauf. Und hier gewann sie volle Fahrt. Harald hatte nämlich jetzt erst herausgefunden, wie der dritte Gang zu schalten war.
An der Ecke der Havellandstraße stand Inge Remo trotz des Regens mitten auf dem Trottoir. Allerdings unter einem Regenschirm und in einem hellblauen Wettermantel. Daniela mußte im Schutze eines Hauseinganges gelegen sein, denn als Harald jetzt auf Inge Remo zukam und sie anrief, kam die Dogge aus dem Schatten der Häuser gesprungen. Über eine Stunde warteten sie schon.
„Das Ganze ist aufgeflogen. Polizei! Einer ist weg! Zeitungskiosk bei den Arkadia-Lichtspielen!“ Das war alles, was Harald dem Mädchen zurufen konnte. Inge lief ein paar Meter neben dem Motorrad her.
Aber Harald mußte weiter. Er hatte nicht einmal mehr Zeit, hinter sich zu sehen, da bog die Straße nämlich schon zur Hafenchaussee ein.
Kaum drei Minuten später knatterte die DKW durch die Toreinfahrt des Abendblatt-Hofes. Als Harald die Maschine abbremste, war er augenblicklich von der Horde umringt.
„Was ist nun eigentlich los, du Knalltüte?“ fragte Alibaba. Leider verstand Harald kein Wort, da er den Motor nicht abgestellt hatte. „Alle herhören!“ rief er, so laut er konnte. Und was dann kam, geschah im Telegrammstil.
Kurz darauf knatterte Harald bereits wieder zur Straße hinaus und der Stadt zu. Allerdings saß jetzt Alibaba auf dem Rücksitz des Motorrads. Die ganze Horde lief auf dem Bürgersteig nebenher. Und obgleich Harald inzwischen begriffen hatte, wie die Maschine des Kriminalassistenten Opitz geschaltet werden mußte, fuhr er doch im zweiten Gang, weil er mit der Horde Schritt halten wollte. Dabei erklärte er so kurz wie möglich, worum es ging. Laut und so, daß
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