Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
Aufmerksamkeit galt jetzt der schmalen Tür da drüben. Noch fehlten zwei von den Burschen. So lange mußte er noch in seinem Versteck aushalten.
    Aber auch diese beiden ließen nicht lange auf sich warten. Genauso wie die anderen kamen auch sie in weiten Sprüngen auf die Baracke zugerannt, rissen die Tür auf und schienen sie nicht schnell genug wieder hinter sich schließen zu können. Das taten sie laut und knallend. Bei diesem Wetter hielten sie wohl jede Vorsicht für überflüssig. Man würde jetzt keinen Hund auf die Straße jagen. Wer also sollte jetzt ausgerechnet auf diesem verlassenen Grundstück Spazierengehen?
    Eine gute Weile zwang sich Harald noch zur Ruhe. Dann band er sich ein schwarzes Tuch vor sein Gesicht. Er hatte gestern nacht beobachtet, wie deutlich das Weiße der Haut auch in der Dunkelheit noch zu erkennen war. Mochte so ein Tuch auch nach schlechten Kriminalfilmen riechen, ihm war das gleichgültig. Zweckmäßig war es auf jeden Fall.
    Vorsichtig schob er sich jetzt unter der Karosserie seines Opel hervor.
    Schritt für Schritt schlich er an den abgestellten Autoleichen vorbei, drückte sich in den Schatten aufgestapelter Kisten, kroch schließlich bis an das eine Ende der Baracke. Mit dem Rücken dicht an deren hölzerne Wand gepreßt, bewegte er sich jetzt nur noch zentimeterweise den schmalen Fenstern und der Tür zu. Und mit Erstaunen stellte Harald fest, daß seine Befangenheit, seine Spannung eigentlich mit jedem Zentimeter, mit dem er seinem Ziel näher kam, nachließ und von ihm abfiel. Plötzlich fühlte er sich ganz frei von Furcht und so frisch, als ob er gerade aufgestanden wäre und gleich aus dem Bett heraus eine eiskalte Dusche genommen hätte.
    Eine halbe Stunde etwa blieb dem Jungen noch Zeit. In einer halben Stunde erwartete Kriminalkommissar Haustecher seinen Anruf oder seinen Besuch im „Goldenen Anker“. Bis dahin aber mußte Harald seiner Sache vollkommen sicher sein. Bis dahin mußte er wissen, was wirklich im Innern der Holzbaracke vor sich ging.
    Irgendwie an der Tür zu horchen oder zu versuchen, durch ihr Schlüsselloch oder eine ihrer Ritzen etwas zu erspähen, war wohl ausgeschlossen. Würde einer der Kerle unvermutet ins Freie treten, wäre alles verloren, wäre alle Vorsicht und Mühe umsonst gewesen. Die Fenster aber waren von innen her dicht und lückenlos verhangen.
    So blieb nur das Dach. Dort war ein schmaler Windfang eingelassen, neben dem sich ein lukenartiges Fenster befand. Dieses Fenster allerdings mußte mit Brettern vernagelt sein, denn es ließ auch nicht den geringsten Lichtschimmer durch und war nur seiner geringen Erhöhung wegen sichtbar. Aber schon seit Tagen, wenn Harald vor dieser Baracke auf der Lauer gelegen war, hatten seine Blicke immer wieder die Umrisse dieses Fensters und dieses Windfangs gesucht.
    Über aufgestapelte Kisten an der Vorderfront der Baracke versuchte der Junge sein Ziel zu erreichen. Dabei kam ihm jetzt dieser wolkenbruchartige Regen sogar zu Hilfe. Zumindest dessen Geräusch. Es würde im Innern der Baracke kaum zu hören sein, wie er hier vorsichtig Schritt um Schritt höher stieg und sogar eine Tonne zur Seite schob, um mit ihrer Hilfe endgültig die Höhe des Daches zu erreichen. Wenn er sich jetzt hoch aufrichtete, seine Arme ausstreckte, dann mußte er seiner Berechnung nach wenigstens die Dachrinne fassen können.
    Ganz langsam hob sich der Junge zuerst aus der Hocke, drückte die Knie durch, schob den Oberkörper vor, bis er aufrecht und gerade stand. Dann erst wagte er auch seine Arme hochzustrecken. Dabei blieb sein Blick immer noch auf die Tonne gerichtet, auf seine Schuhe, die dort in der runden Oberfläche dicht nebeneinander standen. Und jetzt erst, als sein Körper ganz aufgerichtet und die Arme steil zur Höhe gestreckt waren, jetzt erst folgte er ihnen mit seinen Blicken, sah den Rand des Daches ganz dicht vor seinen Händen. Nun würde es nicht mehr allzu schwer sein, sich einfach hochzuziehen.
    Er war in der Schule nicht der schlechteste Geräteturner gewesen. Aber eine Dachrinne ist keine Reckstange. Vor allem nicht die Dachrinne einer alten, ziemlich baufälligen Baracke.
    Als Harald sich bereits so weit hochgezogen hatte, daß er seinen Ellenbogen schon auf das Dach stemmen konnte, fühlte er, wie der Halt unter seinen Beinen plötzlich nachgab. Es gelang ihm gerade noch, seinen Oberkörper zu stützen und auch die Füße, die für Sekunden leer in der Luft hingen, nachzuziehen. Aber er konnte

Weitere Kostenlose Bücher