Die Fuenfzig vom Abendblatt
er das Geräusch des Motors übertönte.
„— und dieser Krüger ist getürmt!“
An der Ecke der Klopstockstraße zog Harald die Bremse.
„— irgendwie muß der Kerl in seinem Kiosk etwas versteckt haben, auf das er nicht verzichten will. Wenn er also überhaupt noch irgendwo zu greifen ist, dann hier!“
Harald teilte jetzt die Jungen in drei Gruppen ein, die sich von verschiedenen Seiten an die Arkadia-Lichtspiele heranschieben sollten. Der Kiosk, der ja vor diesem Kino stand, würde dann regelrecht eingekreist sein. Eingekreist von Jungen, die sich vorerst allerdings noch hinter Plakatsäulen, in Hauseingängen und im Schatten parkender Autos versteckt halten sollten.
Der Boß der Abendblatt-Jungen blieb an Haralds Seite. Er nahm es vorerst als ganz selbstverständlich hin, daß der andere so ohne weiteres das Kommando übernommen hatte. Jetzt war keine Zeit zu langen Erklärungen.
Das Kaufhaus Stocken stand am Ende der Klopstockstraße, dem Arkadia-Kino genau gegenüber. Seine Ecke war zu einem breiten, gläsernen Eingang ausgebaut, dessen zwei Längsseiten zugleich als Schaufenster dienten. An diesen Schaufenstern vorbei versuchte Harald seine Gruppe möglichst nahe an den Kiosk heranzuführen. Schon waren die Aushängekästen des Kinos mit all ihren reihenweise aufgehängten Fotos sichtbar, und mit jedem Schritt, den der Junge weiterging, schob sich die breite Fassade des Kinos mehr in sein Blickfeld.
Das Schaufenster, an dem er jetzt vorbeischlich, gehörte offensichtlich zur Lebensmittelabteilung des Kaufhauses. Während Harald durch das Glas hindurch zur anderen Ecke der Straße spähte, streifte sein Blick über Pyramiden aufgestapelter Weinessigflaschen und über riesige Pakete Emmentaler Käse. Und fast am Ende des Schaufensters, als der Junge beinah schon auf das freie Trottoir trat, da blieb er plötzlich wie erstarrt stehen. Neben diesen Weinessigflaschen und an einer schmalen hohen Kiste mit Haferflocken vorbei war es jetzt möglich, den Zeitungskiosk zu sehen. Und in diesem Kiosk brannte Licht. Seine Türe war offen und eine Handvoll Menschen stand dabei.
Mit vier, fünf Sprüngen war Harald über die Straße. Mit ihm Alibaba. Mit ihm die ganze Horde. Von allen Ecken und aus allen Richtungen brach es hervor, stürzte es sich auf die niedere, viereckige Bretterbude.
Dort stand neben der geöffneten Tür Inge Remo, und an der Erde, auf dem Stück Asphalt vor dem Kiosk lag der Zeitungshändler Krüger. Er lebte, und seine Augen waren weit aufgerissen. Aber er wagte keinen Muskel seines Körpers, keinen Finger zu rühren. Über ihm stand nämlich Daniela, eine ihrer breiten Vorderpfoten lag über der Brust des dicken Kerls, und die Schnauze der Dogge mit ihren hohen, weißen Zähnen stand so dicht über ihm, daß er den Atem des Hundes über seinem Gesicht spüren mußte.
Jetzt schien auch Krüger die Jungen bemerkt zu haben. Aber er wagte es nicht, den Kopf zu bewegen. Nur seine Augen, weit aufgerissen und voller Furcht, drehte er jetzt zu Ali-baba und zu Harald. Doch schon dabei fing die Dogge an, wütend zu knurren. Sie zitterte am ganzen Leibe.
Die Passanten, die herumstanden, fingen jetzt an, sich einzumischen. Da lag ein Mensch auf der Erde und ein Hund von der Größe eines Kalbes bedrohte ihn. Man hatte sogar einen Polizisten herbeigeholt, und der drängte sich jetzt neben Inge Remo und zwischen die Jungen. Allerdings wagte auch er nicht, die Dogge anzurühren.
„Wem gehört dieser Hund?“
Schweigen. Niemand antwortete.
Da ging der Polizist einen Schritt näher auf Daniela zu. Aber nur einen sehr kleinen Schritt. Die Art, wie die Dogge nämlich jetzt lauter knurrte, ließ unzweifelhaft erkennen, daß sie keine Einmischung dulden würde.
Da griff der Schupo nach seiner Pistole.
„Zurücktreten — Platz machen.“
Der Beamte entsicherte tatsächlich. Allerdings hielt er den Lauf vorerst noch zur Erde gesenkt.
„Wir werden die Dogge wegnehmen“, erklärte jetzt Harald. „Aber dieser Kerl darf nicht entwischen. Ich weiß nicht, ob Ihnen Kriminalkommissar Haustecher ein Begriff ist? Der sucht ihn nämlich. Von wegen Falschmünzerei und so---“
Eine kurze Sekunde sah der Polizist nicht sonderlich gescheit aus. Er blickte zu Harald, zu Inge Remo, zu Alibaba und dann rund um sich in die Gesichter der Jungen. Aber dann richtete er sich plötzlich etwas auf. Er war noch ein junger Kerl, stand erst am Anfang seiner Laufbahn, und wenn das hier eine Chance für ihn war, wollte
Weitere Kostenlose Bücher