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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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totgelacht haben!“
    In der dritten Runde fuhr Harald seine Strecke über die Kieler Straße zum erstenmal allein.
    Da hinter ihm auf dem Gepäckständer lagen genau siebenhundert Zeitungen. Siebenhundert Menschen würden sie heute abend noch kaufen und lesen. Dazu noch ihre Familien und Bekannten. Aber das war nur ein winziger Teil von all den Exemplaren, die schon unterwegs waren und die noch ausgeliefert würden. Es ging in die Hunderttausende!
    Auf den Gehsteigen inmitten der Masse von Menschen hörte er jetzt schon immer häufiger, wie die Namen der beiden Abendzeitungen ausgerufen wurden.
    „Abendblatt! Das neue Abendblatt!“
    „Nachtexpreß! Der neue Nachtexpreß!“
    Was das Abendblatt betraf, so stand in jedem seiner Exemplare der Artikel: „Zirkus im Zirkus!“ Sein Artikel. Er hatte sich gestern abend hingesetzt und geschrieben. Und das, was er gedacht und geschrieben hatte, lasen heute viele tausend
    Menschen. Aus dem kleinen Zimmer in der Wohnung von Rudi Pleschke, von dem schmalen Tisch aus, an dem er gesessen hatte, wanderten seine Gedanken in ein paar tausend Gehirne und Stuben, Zimmer und Wohnungen.
    Und jetzt, da Harald den roten Abendblatt-Pullover trug und zum ersten Male allein seine Zeitungen durch die Stadt fuhr, da wurde es ihm auf einmal so richtig klar, welche Bedeutung das Wort, der Gedanke eines einzelnen Menschen erhält, wenn diese Gedanken und Worte ihren Weg in eine Zeitung finden. Die Redaktionsstuben, in denen darüber entschieden wird, was gedruckt wird und wie eine Sache in die Presse kommt, haben Macht über Millionen Gehirne. Ein paar Menschen hinter ihren Schreibtischen können der Wahrheit die Ehre geben, können aber auch der Lüge den Mantel der Wahrheit umhängen. In ihrer Hand liegt es, Freude zu bereiten, Begeisterung zu entflammen — oder auch, Haß zu pflanzen.
    So hatte Harald den Beruf seines Vaters noch nie gesehen. Jetzt, da er an seinem eigenen kleinen Beispiel, an dem zweispaltigen Artikel, der mit H. M. unterzeichnet war, erstmalig erfuhr, daß die Arbeit an einer Zeitung mehr bedeutet als nur Freude an Druckerschwärze und an der Buntheit aller Menschen und Sensationen, die sich in einer Redaktion über den Weg laufen, jetzt eigentlich sah er zum erstenmal seinen Vater vor dem richtigen Hintergrund, und auch ihn selbst packte etwas von dieser Verantwortung.
    Harald bog jetzt von der Kieler Straße her zu den Arkadia-Lichtspielen ein. Er bremste, stieg von seinem Rad und ging auf die niedere Verkaufsbude zu. Dort stellte er seine Zeitungspakete vorerst auf die Erde. Vom Besitzer des Kiosk war nämlich im Augenblick nichts zu sehen obwohl sich allmählich schon Käufer ansammelten, die ihre Abendzeitung mit nach Hause nehmen wollten. Einige von ihnen, die schon länger gewartet hatten, wurden unruhig und klopften mit ihren Groschen an das kleine geschlossene Glasfenster.
    Da ging Harald um den Kiosk herum, um zu sehen, ob vielleicht die Tür verriegelt sei und ob der Besitzer möglicherweise für einen Augenblick abberufen wäre.
    Aber da sah er dann im Schatten des Häuschens Herrn Krüger mit dem Zubringer des Nachtexpreß zusammenstehen. Sie hielten die Köpfe dicht beieinander und schienen irgend etwas zu besprechen. Aber nur halblaut, so daß Harald nichts verstehen konnte. Aber was die beiden auch für ein Geheimnis haben mochten, in jedem Falle würde es besser sein, man entdeckte ihn nicht.
    Harald wollte gerade wieder gehen, da wurde man aufmerksam. Und wie sich der Zubringer des Nachtexpreß jetzt nach ihm umdrehte, erkannte er sofort den Anführer der Radfahrergruppe von gestern abend. Die Entdeckung verschlug Harald im ersten Augenblick die Sprache. Es war ihm unmöglich, auf die Frage des Kerls in seiner schwarzen Lederjacke zu antworten.
    „Was du hier suchst, sollst du uns sagen. Hast wohl Dreck in den Ohren, wie?“
    Nun hatte Harald den ersten Schreck überwunden.
    „Ich suche Herrn Krüger — ich habe die Zeitungen — „
    „Willst wohl spionieren, he?“ Und dabei kam Bulle dicht auf Harald zu.
    „Ich rate dir im guten, steck deine Nase nicht in fremde Dinge! Das könnte dir schlecht bekommen!“
    Und nach einer Weile, während der er sich irgend etwas zu überlegen schien: „Müßte mich verdammt täuschen, wenn ich deine Visage nicht schon mal irgendwo gesehen hätte
    Aber da machten sich dann erneut die Menschen vor dem Kiosk bemerkbar, und Krüger, der bisher schweigend im Hintergrund geblieben war, trat jetzt neben Bulle,

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