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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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beschwichtigte ihn.
    „Laß mal — wird schon nicht so schlimm sein. Vielleicht habt ihr wirklich mal in der Kirche nebeneinander gesessen.“ Er lachte, schlug Bulle auf die Schulter und verschwand durch die schmale Tür in seinen Verkaufsstand. Während er dann das Fenster hochschob, beschwichtigte er auch schon seine Kunden:
    „Bitte höflichst um Entschuldigung. Kleine Differenzen mit dem Lieferanten. Bekomme jeden Tag hundert Exemplare mehr auf die Rechnung gesetzt, als man mir liefert. Eintausend — fünfhundert — und nochmals fünfhundert — ist in Ordnung, mein Sohn!“
    Klemens Krüger hatte dabei ein Zeitungspaket nach dem andern von Harald in Empfang genommen. Während er jetzt sehr schwungvoll die Quittung unterschrieb, spitzten sich bereits wieder einmal seine Lippen und ließen das fröhliche Trillern eines Buchfinken hören.
    „Man dankt. Man dankt sogar bestens.“
    Mit diesen Worten erhielt Harald seinen Zettel zurück. Während er wieder sein Rad nahm, hörte er schon, wie Krüger mit dem Verkauf begann.
    „Ein Nachtexpreß — sehr wohl — Und was darf es bei Ihnen sein? — Sehr richtig, von jedem eine. Also hier ein Abendblatt und hier ein Nachtexpreß.“ Und dazwischen ließ er eine Nachtigall hören, eine Drossel oder eine Lerche. Je nachdem, was ihm wohl gerade einfiel.
    Bulle, der Anführer der Nachtexpreß-Zubringer, bog jenseits der Klopstockstraße vor einem Omnibus zur Kreuzung ein.
    Harald fuhr ebenfalls wieder der Stadt zu. Doch beeilte er sich nicht, und fast schien es so, als suche er im Vorbeifahren irgend jemanden oder irgend etwas auf dem Gehweg. Bis er es dann anscheinend gefunden hatte. Er stoppte und trat in eine öffentliche Fernsprechzelle. Sie stand dicht neben einem Blumengeschäft.
    Harald warf seinen Groschen in den Apparat. Er hielt die neue Ausgabe des Abendblattes in der Hand. Aus ihr entnahm er die Nummer, die er jetzt wählte.
    „Ja — ist dort das Abendblatt? — Schön — Verbinden Sie mich bitte mit Mr. Voss! — Nein, hier spricht Harald Voss, sein Sohn — bitte sehr — ja — ich warte — “
    Und dann nach einer Weile wieder:
    „Oh, Mister Voss? How are you! — Yes, thank you — wollte nur melden: Abendblatt — heutige Ausgabe — vierte Seite rechts oben: ‚Zirkus im Zirkus’ — unterzeichnet H. M. — das bin ich. Harald Madelung. Did you understand? Ja — klar! Also 0:2 für mich! O. K. — Gruß an Mutter!!“
    Damit hängte Harald, ohne auf irgendeine Antwort seines Vaters zu warten, kurzerhand seinen Hörer wieder an den Apparat zurück und verließ grinsend die Zelle.
    Als er dann auf seinem Rad saß und weiterfuhr, pfiff er vergnügt vor sich hin. Dabei merkte er erst nach geraumer Zeit, daß es ja der Toreromarsch aus Carmen war, den er in die Nacht hinausflötete, und den hatte doch eigentlich Alibaba für sich gemietet.

Dicke Luft beim Nachtexpreß

    In dem breiten Granitsteingebäude des Nachtexpreß in der Hansemannstraße war dicke Luft. Vom Erdgeschoß bis unters Dach.
    Die Laufburschen zankten sich mit den Putzfrauen, die Putzfrauen kriegten sich mit dem Portier in die Haare, der Portier seinerseits brummte die Angestellten an, die Angestellten ärgerten sich gegenseitig und ihre Abteilungsleiter dazu. Diese wiederum wurden von den Redakteuren angepfiffen, genauso wie die Fräuleins in der Telefonzentrale. Kaum einer hatte heute zum andern „Guten Morgen“ gesagt oder „Guten Tag“. In der Botenmeisterei hatte schon fünf Minuten nach Arbeitsbeginn der erste Lehrling seine Ohrfeige weg, und in der Setzerei geriet der Meister, nur weil einer der Gesellen in einer Todesanzeige den Namen des Verstorbenen anstatt mit zwei nur mit einem „t“ gesetzt hatte, derartig in Wut, daß er den ganzen Satz der Anzeigenseite wie Kraut und Rüben durcheinander auf den Umbruchtisch warf, und es konnte einem angst und bange werden bei dem Gedanken, daß das alles bis zum Nachmittag wieder in Ordnung gebracht sein mußte.
    In den Gängen und vor dem Zimmer des Chefredakteurs aber, ganz zu schweigen vom Arbeitsraum Dr. Malborns selbst, stand die Luft förmlich wie aus lauter quadratischen Würfeln geschichtet und war selbst zum Schneiden zu dick.
    Dr. Malborn saß in Hemdsärmeln hinter seinem Schreibtisch und hatte sich einen Ventilator direkt vor sein Gesicht gestellt. Trotzdem fuhr er sich pro Minute noch ein- bis zweimal mit einem riesigen Taschentuch über die Stirn.
    Das Unglück wollte es übrigens, daß der Chefredakteur des

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