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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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wen?“
    „Für Mr. Voss“, Harald wiederholte es, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.
    Josuah holte tief Luft. Wenn bereits die Jungen vom Hinterhof anfingen, mit dem Chef des Abendblattes persönlich zu korrespondieren, dann war es vielleicht an der Zeit, sich nach einer neuen Stellung umzusehen.
    „Ja, ist denn der Brief von dir?“ Der Neger fragte es mit einem letzten Funken Hoffnung.
    „Wo denken Sie hin, der Brief ist privat. Vom Sohn des Mr. Voss. Man bat mich nur, ihn zu besorgen. Aber ich wage es nicht, selbst ins Büro von Mr. Voss vorzudringen. Vermutlich würde man mich wieder rausschmeißen, bevor ich nur die Klinke zu seinem Vorzimmer in der Hand hätte.“
    Josuah war wieder etwas versöhnt. Noch schien ein Teil der alten Welt im Gleichgewicht zu sein. Dieser Junge da zum Beispiel wußte noch, wo die Grenzen lagen, und das war ein gutes Zeichen. Josuah nahm den Brief, las Adresse und Absender.
    „Hm — Egon Voss? Wußte gar nicht, daß der Chef einen Sohn hat. Scheint aber so zu sein — werde den Brief sofort abgeben. Mr. Voss ist im Hause.“
    „Ich habe zwei Mark für die Bestellung bekommen“, Harald kratzte sich hinter dem linken Ohr, „und da Sie den Brief nun eigentlich erst ans Ziel bringen, muß ich Sie an diesen zwei Mark beteiligen. Ich schlage gerechte Teilung vor.“ Dabei hielt er dem Neger ein Markstück entgegen. Und Josuah, dessen Grundprinzip es war, keinem Pfennig auszuweichen, wo immer es sich ihm auch anbot, nahm die Mark, steckte sie in seine Tasche und tippte mit der rechten Hand dankend an den Schirm seiner roten Portiersmütze. Das war eine Bewegung, die er im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit nun schon mechanisch ausführte, wenn Geld von einer fremden Tasche in die seine übersiedelte. Auch das Lächeln, das dann über sein Gesicht zog, war ein mechanisches Lächeln und gehörte zu dieser Bewegung, wie der Mützenschild, den er ja brauchte, um ihn berühren zu können.
    Harald nickte auch seinerseits dem Neger nochmals zu und nahm den Weg zum Aufenthaltsraum der Jungen.
    Seine Unterhaltung mit dem Chefredakteur des Abendblattes war nicht von allzulanger Dauer gewesen. Zuerst natürlich die üblichen Fragen nach Eltern, Schule und Berufswünschen. Dabei hatte Harald sein Abitur verschwiegen, als ob es eine ansteckende Krankheit sei. Sprinter sollte ihn ja nicht nach dem beurteilen, was hinter ihm lag. Auf die Frage nach seinen Berufswünschen hatte er allerdings ohne jede falsche Scham geantwortet, daß er zur Zeitung wolle, und zwar in eine Redaktion. Eines Tages sogar als Schriftleiter oder so etwas Ähnliches.
    Und Sprinter hatte nicht hell aufgelacht. Das müsse man sehen und darüber ließe sich reden. Der vorliegende Artikel zumindest sei nicht gerade dumm. Er zeige Ansätze.
    „Die Gedanken deiner Arbeit haben mich überrascht. Das hat den Nagel auf den Kopf getroffen, und das ist für einen Außenstehenden, einen Anfänger, nicht wenig. Das ist sogar erstaunlich. In höchstem Maße erstaunlich!“
    Sprinter hatte wieder an seiner Pfeife gezogen und war auf Harald zugetreten.
    „Aber deine Arbeit kann natürlich auch ein Zufallstreffer gewesen sein. Das wollen wir mal versuchen, rauszukriegen. Ich habe immer wieder kleine Berichte für unseren Lokalteil zu schreiben. Beim nächsten Mal rufe ich dich, und dann wollen wir die Sache ausprobieren. Würde mich verdammt freuen, wenn mal einer aus eurem Stall käme und das Zeug zum Schreiben hätte — an mir soll es nicht fehlen.“
    Harald hatte nicht erwartet, daß ihn Sprinter gleich in Gold fassen würde. Er hatte eher befürchtet, daß ihn dieser Mann aus reiner Neugierde eben mal sehen wollte. Ein paar verbindliche Worte, ein Lächeln — und dann: Auf Wiedersehen und alles Gute!
    So war der Junge mit dem Ergebnis seines Besuches recht zufrieden. Er würde Gelegenheit bekommen, etwas zu zeigen. Zu zeigen, ob etwas an ihm sei. Und mehr wollte er ja nicht. Mit diesen Überlegungen kam Harald durch die breite Einfahrt über den Hof zum Aufenthaltsraum der Jungen, die sich im Augenblick, als er eintrat, alle im hinteren Teil des Raumes versammelt hatten.
    Dort stand wieder einmal Erwin Kogge im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Er war damit beschäftigt, am Innern seiner Schranktür notwendig gewordene Veränderungen vorzunehmen. Die Fläche dieser Schranktür war ähnlich dem Aushängekasten eines Fotoateliers über und über mit Bildern bedeckt, die durch Reißnägel angeheftet

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