Die Fuenfzig vom Abendblatt
waren. Es handelte sich ausnahmslos um Fotos von Mädchen. Darunter waren die Bilder ziemlich bekannter Theater- und Filmgesichter. Natürlich war jedes dieser Fotos von den Darstellern mit einer Unterschrift oder gar mit einer Widmung versehen, je nachdem. Handelte es sich um bekannte Stars, so hatte sich Erwin Kogge meist mit einem ziemlich unpersönlichen Namenszug begnügen müssen. Aber da hingen dann auch Bilder, die recht herzlich unterzeichnet waren und manche Rückschlüsse zuließen. Etwa: „Meinem lieben Erwin Kogge, seine Ruth“ — oder gar: „Liebster Erwin! Zur Erinnerung an die unvergeßlichen Stunden im Wasser! Dein Mäuschen.“ Das mit dem Wasser war dadurch erklärt, daß das betreffende Mäuschen in einem Badeanzug geknipst war und lachend an irgendeinem Strand lag.
Obgleich die meisten Bilder und vor allem ihre Widmungen von recht intimer und delikater Natur waren, verbarg sie Erwin Kogge keineswegs in irgendeinem wohlbehüteten Album. Dort würde sie ja niemand gesehen haben.
Das heutige allgemeine Staunen hatte seinen besonderen Grund. Erwin Kogge nahm nämlich heute an seiner Schranktür eine völlige Umgruppierung der Bilder vor, damit im Mittelpunkt ein besonderer Ehrenplatz frei würde.
Und auf diesen Ehrenplatz piekte Erwin Kogge in diesem Augenblick das Foto eines jungen, hellblonden Mädchens. Es zeigte sich dem Beschauer in einem weißen Trikot und schien sich gerade lächelnd zu verneigen. Unten am Rande des Fotos aber stand in zierlicher Schrift zu lesen: „Herrn Erwin Kogge von Inge Remo.“
Auch Harald, der jetzt näher getreten war, schloß sich dem allgemeinen Staunen an.
Erwin Kogge bewahrte allen Fragen gegenüber hartnäckiges Schweigen. Alle Anerkennungen über das erstaunliche Tempo, mit dem er es zuwege gebracht hätte, die Bekanntschaft dieses Mädchens zu machen, das sie noch gestern abend allesamt bewundert hatten und das ja zu diesem Zeitpunkt auch ihm noch ebenso unbekannt gewesen war wie ihnen, tat er mit selbstgefälligem Lächeln ab.
„Wenn ich mal Feuer gefangen habe, brenne ich, da hilft keine Feuerwehr!“
„Na, wie gefällt dir denn das Bild?“ Erwin Kogge hatte jetzt den Neuen bemerkt. Seit der Sache von gestern abend war Harald in seiner Achtung zwei Etagen gestiegen.
„Hut ab! Du scheinst ja ein doller Knabe zu sein!“
Erwin Kogge lächelte geschmeichelt und schlug die Spindtür wieder in ihr Schloß. Er ahnte, daß selbst die bewundernswürdigsten Dinge ihren Seltenheitswert einbüßen, wenn sie zu lange auf der Straße liegen.
„Richtig, ich wollte eigentlich noch zu den Garagen rüber und meinen Gepäckträger nachschweißen lassen — der hat da so ‘ne dämliche Bruchstelle.“ Er sagte es, als ob er die ganze Zeit an nichts anderes gedacht hätte, und griff nach seinem Rad.
Als er über den Hof fuhr und zur Ausfahrt in die Straße einbog, wäre er fast mit einem schwarzen Auto zusammengestoßen, das anscheinend vom Haupteingang her zur Stadt fuhr. Er hatte den Rücktritt getreten und gleichzeitig die Handbremse gezogen. Nicht viel mehr als ein halber Meter blieb zwischen ihm und der vorbeifahrenden Limousine.
In dieser Limousine saß Mr. Voss.
Der Allgewaltige war gerade dabei, einen Brief zu öffnen, der ihm soeben beim Verlassen des Gebäudes von Josuah übergeben worden war.
Der Neger hatte ihn unter seiner Mütze hervorgeholt und dabei versichert, daß es ihm der vielen Besucher wegen nicht möglich gewesen sei, das Schreiben früher zuzustellen.
Mr. Voss schmunzelte vergnügt, als er jetzt zu lesen anfing. Zehn Sekunden später lachte er schallend los. Schließlich nahm er das Stück Papier samt Umschlag, in den es gesteckt war, zerknüllte beides und steckte es in seine Tasche.
Der Inhalt war kurz und die Schrift stand steil auf dem Papier:
Harald fängt an zu begreifen, was eine Zeitung sein kann
An diesem Abend berichtete das Abendblatt auf seiner ersten Seite und mit einer rot unterstrichenen Schlagzeile über alle vier Spalten von der bedauerlichen Tatsache, daß schon seit vier Wochen immer mehr Falschgeld im Umlauf sei: „Falschmünzer am Werk“. Es handle sich in der Hauptsache um Banknoten im Werte von zehn Mark, die so täuschend nachgedruckt würden. Lediglich seien die Scheine der Falschmünzer nicht mit den roten Nummern der Länderbanken versehen, die sonst bei den gültigen Noten über die Wasserzeichen gedruckt wären. Auch tauchten die Banknoten nicht nur an bestimmten Stellen auf, sondern müßten
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