Die Fuenfzig vom Abendblatt
bei sich, mit denen sie sonst allabendlich ihre Zeitungen ausfuhren. Sie hatten jetzt lediglich die Gepäckträger abmontiert und auch die Schutzbleche entfernt.
Einige allerdings besaßen regelrechte Rennmaschinen, die sich sich meist selbst aus den verschiedensten Teilen zusammengebaut hatten. Alibaba zum Beispiel besaß einen regelrechten Opel-Rennrahmen. Die Lenkstange mit einer tiefen Wölbung paßte leidlich dazu. Felgen und Reifen allerdings waren von einem gewöhnlichen Tourenrad. Erwin Kogge andererseits hatte ein französisches Modell, das fast vollständig war. Zur Sensation des Tages wurde allerdings Haralds Maschine, die er noch aus Amerika mitgebracht hatte.
Als er mit dieser Maschine zum Treffpunkt an der Endhaltestelle der Zweiundsechzig erschienen war, hatte man ihn und das verchromte Rad angestaunt wie ein Weltwunder.
„Mann, wo hast du denn das geklaut?“ hatte Sam mit großen Augen gefragt und damit so ziemlich die allgemeine Stimmung zum Ausdruck gebracht. Denn daß einer von ihnen so ein Rennrad als Eigentum besitzen könnte, schien ebenso unwahrscheinlich, wie wenn zum Beispiel Brille in einem pikfeinen Studebaker angerollt wäre.
Da hatte Harald in seiner Not wieder einmal zu Rudi Pleschke Zuflucht nehmen müssen. Die Maschine gehöre ihm, und er habe sie komischerweise einmal als Boxpreis bekommen. Da er aber vom Radsport keine Ahnung habe, hätte das Ding unbenutzt an einem Balken auf dem Dachboden seiner Wohnung gehangen.
„Er wollte erst nicht recht und hatte Angst, daß ich die Maschine in Klumpen fahre. Es sei doch immerhin so etwas wie eine Kapitalanlage für ihn. Aber dann, als ich ihm sagte, daß es doch ein Jammer sei, wenn so etwas nur für die Motten in der Luft hängt — da hat er sich damit abgefunden, daß ich das Ding mitnehme. Ist ein toller Apparat, wie? Hat Holzfelgen, glaube ich, und Schlauchreifen — französische Ventile
Dabei hatte Harald das Rad nicht minder interessiert angestarrt wie die anderen.
Nun stand die „Mühle“ mitten unter den anderen Rädern. In ihrem silbernen Glanz überstrahlte sie die übrige Nachbarschaft. Die Aschenbahn, die im weiten Oval den Platz umgab, war noch von den „Rapid“-Leuten belegt. Aber ihr Training schien dem Ende zuzugehen. Das Feld von zwanzig oder fünfundzwanzig Fahrern, die weit auseinandergezogen dahinfuhren, wurde jetzt immer lauter von einer Gruppe junger Menschen angefeuert, die ebenfalls Sportkleidung trugen und in der Nähe des Ziels standen. Damit nachher, wenn die Bahn freigegeben sei. keine Zeit verlorenging, rief Alibaba die Jungen zusammen, um die Trainingsfolge aufzustellen. Zu diesem Zweck hatte Brille eine Namensliste der Horde in Händen und hielt einen Bleistift bereit.
Jedem teilnehmenden Verein, und als solcher zählten in diesem Falle auch die Zubringer der einzelnen Zeitungen, war lediglich eine Nennung von jeweils zehn Teilnehmern gestattet. Das war schon eine recht beachtliche Zahl, denn in der Stadt existierten allein elf regelrechte radsportliche Vereinigungen. Von ihnen allein mußten demnach schon hundertzehn Bewerber erwartet werden. Nun war aber die Zahl der Firmen, die sich zu diesem größten Rennen jährlich zu melden pflegten, noch weit höher. Im vergangenen Jahr waren über vierhundert Fahrer am Start gewesen.
Das „Grüne Band“ war das volkstümlichste Rennen. Es führte die Hafenchaussee entlang quer durch die Stadt, wobei Start und Ziel am Großen Stern lagen. Es ging dabei um das „Grüne Band“, das dann stets in Verbindung mit einem Diplom und einer Plakette verliehen wurde. Während diese beiden Preise dann im Besitz des jeweiligen Siegers blieben, war das „Grüne Band“ ein Wanderpreis und wechselte in jedem Jahr zum nächsten Sieger.
Augenblicklich war das Band im Besitz der Telefunken-Werke. Alibaba war im vergangenen Jahr von den Jungen des Abendblattes dem Sieger am nächsten gekommen. Er war immerhin als Dritter durchs Ziel gegangen und war auch in der Presse genannt worden. Das Abendblatt hatte sogar sein Bild gebracht. Aufgenommen im Augenblick, da er vom Oberbürgermeister eine Plakette überreicht bekam.
„Ist jemand da, der schon von vornherein freiwillig auf die Teilnahme am Rennen verzichtet —?“
Der Boß der Abendblatt-Jungen blätterte in der Namensliste. Es schien fast so, als hätte er diese Frage nur gestellt, um Zeit zu gewinnen, und als erwarte er eigentlich keine Antwort.
Doch da hob Brille seine Hand mit dem Bleistift in die
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