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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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dieser Neue — wenn der schon gleich am Anfang fast eine Viertelstunde nach der Zeit ein trudelte, konnte man ja noch auf weitere Überraschungen gefaßt sein.
    Immerhin waren jetzt drei Zeitungspakete auf der Ausgaberampe liegen geblieben. Sie würden in jedem Falle erst lange nach dem Nachtexpreß zu ihren Kiosken kommen.
    Und darum ging es ja in diesen Tagen mehr als sonst: Das Abendblatt mußte zuerst bei den Händlern sein. Jeden Abend wieder. Jeder Kiosk war wichtig, und auf jedes Zeitungspaket kam es an. Denn irgendwie hatte die Horde Wind davon bekommen, daß die Konkurrenz hinter ihr her war. Wegen der mißglückten Galavorstellung im Zirkus Bertoldi. Man munkelte davon, daß der Nachtexpreß sogar die Kriminalpolizei bemüht hätte.
    Und leider war es auch so.
    Genau im gleichen Augenblick, als Alibaba jetzt mit seiner Horde zur Hafenchaussee einbog, saß nämlich ein etwas hagerer Herr, der einen beinahe schwarzen Anzug trug, dem Chefredakteur der Konkurrenz gegenüber.
    „Kriminalassistent Kiesewetter“ hatte sich der Besucher mit einer sehr korrekten Verbeugung vorgestellt, als er von einer Sekretärin in den Arbeitsraum des Chefredakteurs geführt worden war.
    Dr. Malborn war in gewisser Verlegenheit.
    Einerseits hatte er um den Besuch des Kriminalbeamten gebeten. Andererseits liefen jetzt gerade die Rotationsmaschinen auf Hochtouren, und das war eigentlich die Stunde, zu der er sich allabendlich im Maschinensaal aufhielt, obgleich das mit seiner Arbeit nichts mehr zu tun hatte. Nun war ja die Fertigstellung der Zeitung nur noch ein rein maschineller Vorgang. Aber irgendwie gehörte er dazu. Mochte das Geräusch der Rotation anderen Leuten in den Ohren dröhnen, ihn beruhigte es. Es war wie der Punkt hinter einem Satz, den er geschrieben hatte. Ohne diesen Punkt wäre seine Arbeit unvollständig geblieben.
    „Wissen Sie denn überhaupt, wie es bei einer Zeitung zugeht?“
    Der dicke Chefredakteur des Nachtexpreß hatte plötzlich einen Einfall. So würde er sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
    „Ehrlich gesagt — mein Beruf führt mich wohl so ziemlich in alle Ecken. Aber ausgerechnet mit der Presse bin ich bis heute noch nicht in Berührung gekommen.“
    Das war genau die Antwort, die sich Dr. Malborn gewünscht hatte.
    „Dann fangen wir am besten erst mal damit an, daß Sie sich hier bei uns umsehen. Schließlich müssen Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben
    Nun würde er doch sein Büro verlassen können und sich gleichzeitig seinem Besucher gegenüber gefällig erweisen. Was ja nie ein Fehler ist. Insbesondere nicht, wenn es sich dabei um einen Vertreter der Kriminalpolizei handelt, dessen Tätigkeit der Nachtexpreß mit gewissen Erwartungen entgegensah.
    „Interessant — sehr interessant!“
    Kriminalassistent Kiesewetter faßte an seine Brille und sah sich um wie in einer Gemäldegalerie.
    Dr. Malborn führte seinen Besuch bereits durch die Setzerei.
    Mehr als zwanzig oder dreißig Setzmaschinen standen in dem großen Raum nebeneinander.
    „Wirklich — äußerst interessant-“
    Jede der Maschinen hatte einen fast zwei Meter hohen Aufbau. Vorne eine Tastatur wie bei einer Schreibmaschine. Tippte der Setzer auf eine Taste, fiel die entsprechende Buchstabentype aus ihrem Magazin. Buchstabe für Buchstabe. Wort für Wort. Bis die Zeile fertig war. Dann drehte sich das Ganze vor einen Schlitz. Metall, flüssiges Blei, war zu sehen, und schon fast im gleichen Augenblick kam der Abguß der gesetzten Zeile ins Freie. Damit jede Zeile genau die gleiche Länge erhielt, schob ein Hebel den fertigen Guß aufs richtige Maß zusammen. Wie mit einer Hand, einer Hand aus Stahl allerdings.
    „Matrizen nennt man diese Buchstabentypen. Sie sind aus Messing — “
    Dr. Malborn hielt sich seinem Besucher gegenüber zu gewissen Erklärungen verpflichtet. Allerdings zog es ihn eigentlich weiter. Hinüber zur Rotation.
    „Der Satz der heutigen Ausgabe ist natürlich längst fertig. Was hier gesetzt wird, ist bereits wieder für morgen —“
    „Natürlich! Verstehe-“
    Kriminalassistent Kiesewetter war nun wirklich sehr interessiert. Er kam ganz dicht an die Maschine heran.
    Da war ein langarmiger Greifer, der die Messingtypen, wenn sie beim Abguß ihre Aufgabe erfüllt hatten, wieder erfaßte und zurücknahm. Von der Spindel geschoben, rutschten sie jetzt wieder ihren komplizierten Weg zurück, bis jeder Buchstabe und jedes Satzzeichen wieder in sein ursprüngliches Magazin zurückfiel,

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