Die Fuenfzig vom Abendblatt
Besucher. So als ob er ihn nie verlassen hätte. Er wies mit dem Kopf zur nächsten Maschine hinüber.
„Die zweite Auflage. Die erste ist längst bei den Lesern.“ Dr. Malborn holte sich eine tiefschwarze Brasilzigarre aus der Rocktasche.
Kriminalassistent Kiesewetter war sichtlich beeindruckt.
„Imposant! Imposant!“
Dr. Malborn sah auf. Sollte er sich verhört haben?
Aber Kiesewetter wiederholte es nochmals. Etwas leiser allerdings und fast so, als sage er es mit einer gewissen Ehrfurcht:
„Imposant! Wirklich imposant
„Rauchen Sie?“ Dr. Malborn bot dem Kriminalbeamten eine seiner Zigarren an. Und wer den dicken Chefredakteur kannte, mußte darin einen ziemlichen Achtungsbeweis erblicken.
Kiesewetter lehnte ab. Er rauche leider gar nicht. Er bitte im übrigen freundlichst um Entschuldigung, wenn er sich durch die Neuartigkeit der Umgebung so sehr habe mitreißen lassen.
„ — aber wenn man das hier so zum ersten Male sieht! Einerseits Maschinen und Technik — andererseits die geistige Macht, die dahinter steht und von Ihren Redaktionen aus über diesen ganzen riesigen Apparat bis in die kleinste Mietwohnung reicht. Diese Vorstellung ist wirklich imposant! Ich beneide Sie förmlich um Ihren Beruf — “
Dr. Malborn hatte schweigend zugehört. Er paffte bereits die ersten Rauchwolken vor sich hin. Entsprechend seiner Zigarre waren es kleine, sehr dichte Rauchwolken.
„ — hm — außer allem Zweifel — die Arbeit bei der Presse hat einiges für sich.“ Der dicke Chefredakteur des Nachtexpreß sagte es so, als rede man nur übers Wetter.
Kiesewetter faßte wieder einmal an seine Brille:
„Was unsere Sache betrifft, derentwegen Sie mich rufen ließen — wie gesagt — , im Augenblick schwimme ich noch. Leider. Ich weiß sozusagen noch gar nichts. Aber ich hoffe in Bälde — hm — , jedenfalls darf ich Sie bitten, mir die vier Waschkörbe mit der einschlägigen Post in mein Büro bringen zu lassen. Ich werde einzelne Briefschreiber vorladen und sie über ihre Feststellungen vernehmen Kiesewetter war nun wieder ganz Beamter. Das zeigte sich vor allem in seiner wiedergewonnenen, sehr aufrechten Haltung.
„ — und — Sie sagten doch — bei der Ecke Werftstraße und Pardemannstraße sei es gewesen, wo Sie mit Ihrem Wagen aufgehalten wurden — nicht wahr? — und die Arbeiter waren vom städtischen Tiefbauamt? — Hm — Sehr interessant! — Ich werde mich dort auch erkundigen. Es scheint mir zumindest ungewöhnlich, daß man abends um neun noch in amtlichem Aufträge eine Straße absperrt. Finden Sie nicht auch?“
„Es ist durchaus möglich, daß man am Tage den Verkehr nicht stören wollte.“ Dr. Malborn hatte in jener Nacht nichts Außergewöhnliches an diesen Straßenarbeiten gefunden und entdeckte auch heute nichts Verdächtiges an ihnen.
„Freilich — selbstverständlich — unsere städtischen Betriebe sind im allgemeinen sehr rücksichtsvoll — andererseits — eine telefonische Rückfrage scheint mir die Sache schon wert zu sein —“
Der Zähler drüben an der Rotationsmaschine zeigte jetzt schon sechzigtausend gedruckte Exemplare an. Genau: Einundsechzigtausendzweihundertsechs.
Ein ziemlich wichtiges Gespräch unter der Dusche
Der Union-Sportplatz lag im Osten der Stadt, unweit des Güterbahnhofs. Seine breite, vierhundert Meter lange Aschenbahn war die günstigste Trainingsmöglichkeit der Umgebung. Jetzt, acht Tage vor dem „Grünen Band“, war diese Bahn allerdings täglich durch die verschiedenen Vereine belegt. Insbesondere heute, am Sonntag.
Man war im Interesse einer gerechten Verteilung übereingekommen, daß die Leiter der verschiedenen Mannschaften die Zeiten für ihr Training auslosen sollten. Der Platz unterstand der Verwaltung des Rathauses, stand also der Allgemeinheit und nicht nur einem bestimmten Verein zur Verfügung.
Alibaba hatte dabei die Zeit von acht bis zehn gezogen. Vor ihm trainierten die Leute vom „Rapid“, und anschließend würden die Nachtexpreß-Zubringer an der Reihe sein.
Punkt zehn Minuten vor acht erschien der Rothaarige mit der vollzähligen Horde vor dem Tor des Platzes. Er ließ absitzen und führte seine Jungen auf die Rasenfläche hinter der Zielkurve. Man stellte die Räder zusammen und fing an, sich umzukleiden. Dabei war es vereinbart, zu einer kurzen, schwarzen Sporthose den roten Abendblatt-Pullover zu tragen. Die Ärmel wurden hochgekrempelt.
Im allgemeinen hatten die Jungen auch heute dieselben Fahrräder
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