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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Neues.
    Aber dann passierte folgendes:
    Alibaba war schon auf der Rückfahrt von seiner ersten Tour, da sah er plötzlich vor sich, ebenfalls auf einem Fahrrad, einen Jungen.
    „Ist das nicht — “ Alibaba wollte es zuerst nicht glauben. Aber dann stimmte es doch. Es war ein verrückter Zufall. Kaum zwanzig Meter vor ihm radelte Herr Erwin Kogge durch die Gegend. Alibaba bog elegant vor ihm ein. Auskneifen war nicht mehr möglich. Erwin Kogge war plötzlich zwischen Alibaba und dem Trottoir eingeklemmt.
    Der Boß sagte kein Wort. Er sah dem anderen nur mit offensichtlicher Verachtung ins Gesicht. Er empfand weder Wut noch Haß. Er fühlte gar kein Bedürfnis, diesen Kerl da irgendwie anzupacken oder zu schlagen. Und erst nach einer Weile sah er, daß der Kerl unter seinem Jackett noch den roten Pullover der Abendblatt-Jungen trug.
    „Zieh den Pullover aus — “
    Mehr sagte Alibaba nicht.
    Aber so wie er es sagte, genügte es, um Erwin Kogge augenblicklich dazu zu bringen, daß er hier auf offener Straße seinen Rock auszog und dann den Pullover. Den nahm der Rothaarige an sich. Und wie wenn jetzt alles in Ordnung wäre, fuhr er wieder los. Er sah sich nicht einmal mehr um.
    Aber das war, soweit es den Abend anbelangt, nur die Ouvertüre. Jetzt holte der „Schwarze Montag“ zu einem ganz großen Schlag aus.
    Als Alibaba zum Hof des „Abendblattes“ zurückkam, stand die Horde lebhaft diskutierend an der Ausgabestelle.
    Anfänglich schenkte der Boß diesem Durcheinander weiter keine Beachtung. Die Ereignisse dieses Tages hatten die Jungen durchgedreht, kein Wunder.
    Aber dann sah er, wie Brille die heutige Ausgabe des Abendblattes ausgebreitet hatte und offenbar den Jungen, die um ihn herumstanden, daraus vorlas.
    „Karl Hoffmann! Zum Donnerwetter, wo steckt der Lausejunge!“
    Der alte Bombinsky stand mit einem seiner Zeitungsstapel auf der Ausgaberampe und sah sich suchend um.
    Da fuhr Alibaba dazwischen. Er packte diesen Karl Hoffmann, der da höchst interessiert über die Schulter von Brille schaute, recht unsanft bei den Schultern, hieß ihn seine Zeitungen fassen und losfahren. „Zugegeben — daß heute ein verdammter Tag ist und so ziemlich alles auf dem Kopfe steht — , aber deshalb bitte ich mir trotzdem aus, daß die Arbeit weitergeht — verstanden?“
    Der Boß riß dabei dem dicken Brille die Zeitung einfach aus der Hand und forderte ihn auf, sich ebenfalls mit seinem Rad bereitzustellen.
    „Zeitung kannst du lesen, wenn du ausgeliefert hast!“ Der Rothaarige war richtig in Wut gekommen.
    Aber da meinte Brille, der Herr Boß solle sich erst mal diese heutige Ausgabe des Abendblattes genauer ansehen. Manchmal sei es besser, die Zeitung zu lesen, bevor man sie ausfahre. Man wüßte dann auch, was man auf dem Gepäckständer stapelweise durch die Stadt kutschiere.
    Es war eigentlich das erste Mal, daß Brille in dieser Weise gegen den Boß auftrat. Er rebellierte geradezu. Und da dies ja wohl seinen Grund haben mußte, fragte Alibaba kurz und sachlich, was an der heutigen Ausgabe des „Abendblattes“ auszusetzen sei.
    „Auf der zweiten Seite, der Bericht über das gestrige Konzert im Unionhaus
    Brille zeigte dem Boß die entsprechende Stelle in der Zeitung. Der Junge war ganz weiß im Gesicht und tatsächlich so aufgebracht, wie ihn die Horde noch nie gesehen hatte. „Das ist ganz einfach eine Schweinerei!“ Er strich sich durch das Haar und sah voll Interesse auf den Boß, der jetzt zu lesen anfing. Und was der Boß jetzt vor seinen Augen hatte, war wirklich eine Frechheit!
    „Sensationeller Erfolg des jungen Komponisten Peter von Bertelmann!“
    Alibaba las die Überschrift noch einmal. Aber da stand es schwarz auf weiß. Er zwang sich, in aller Ruhe weiterzulesen. Satz für Satz. Dieser Artikel überschlug sich geradezu in Anerkennung und Superlativen.
    „Eine geniale Begabung offenbarte sich in hinreißend neuartigen Kompositionen. Peter von Bertelmanns Symphonien stoßen geradezu die Tore auf zu einer neuen revolutionären Musik. Das überfüllte Haus brachte dem Künstler am Ende des Konzerts begeisterte Ovationen dar---“
    Der Boß hatte zu Ende gelesen und faltete die Zeitung nachdenklich zusammen. „Gelogen vom Anfang bis zum Ende. Jeder Satz eine Lüge.“
    Brille nahm die Zeitung, die ihm Alibaba jetzt zurückgab, knüllte sie zusammen und warf sie empört irgendwo hinter sich auf den Hof.
    Der Rothaarige aber ging langsam zur Ausgaberampe hin, wo er Harald stehen sah.

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