Die Furcht des Weisen / Band 1
Rest des Tages lief ich wie ein Idiot grinsend und vor mich hin pfeifend herum. Es ist tatsächlich so, wie man sagt: Ein schwerer Geldbeutel schafft ein leichtes Herz.
|468| Kapitel 45
Dämonische Mächte
I ch saß auf der Kaminsohle im ANKER’S, meine Laute auf dem Schoß. Im Raum war es warm und ruhig, und er war voller Leute, die gekommen waren, um mich spielen zu hören.
Der Fellingabend war mein Stammtermin im ANKER’S, und an diesem Abend war dort immer viel los. Selbst bei dem scheußlichsten Wetter reichten die Stühle nie aus, und die zu spät kamen, mussten sich an den Tresen stellen oder an die Wände lehnen. Anker hatte kürzlich erst nur für den Fellingabend eine zusätzliche Kellnerin eingestellt.
Draußen hatte der Winter die Universität weiterhin fest im Griff, aber drinnen war es warm, und es duftete nach Bier, Brot und warmer Brühe. Im Laufe der Monate hatte ich mir mein Publikum so gut erzogen, dass sie aufmerksam lauschten, wenn ich spielte, und daher war es mucksmäuschenstill im Raum, als ich die zweite Strophe von
Violet
zum Besten gab.
Ich war an diesem Abend in Hochform. Das Publikum hatte mir bereits ein halbes Dutzend Getränke spendiert, und in einem Anfall von Großzügigkeit hatte ein beschwipster Bibliothekar einen harten Penny in meinen Lautenkasten geworfen, der dort nun schimmernd inmitten von stumpfem Eisen und Kupfer lag. Simmon hatte ich bereits zweimal zum Weinen gebracht, und Ankers neue Kellnerin lächelte mir so oft zu und errötete dabei, dass selbst mir diese Signale nicht entgingen. Außerdem hatte sie schöne Augen.
Es war das erste Mal, wenn ich mich recht erinnerte, dass ich das Gefühl hatte, mein Leben einigermaßen im Griff zu haben. Ich hatte Geld im Beutel. Mein Studium ging gut voran. Ich hatte Zugang zur |469| Bibliothek, und obwohl ich eine Zeit lang im Lager arbeiten musste, wusste jedermann, dass Kilvin sehr zufrieden mit mir war.
Einzig und allein Denna fehlte mir.
Ich sah auf meine Hände, als ich mit dem letzten Refrain des Liedes begann. Ich hatte einiges mehr intus als normalerweise und wollte mich nicht verspielen. Und während ich meinen Fingern beim Spielen zusah, hörte ich, wie die Schankraumtür geöffnet wurde, und spürte einen kalten Luftzug im Raum. Das Kaminfeuer neben mir flackerte, und ich hörte Stiefelschritte auf dem Holzboden.
Dann war es wieder still, und ich sang:
Sie sitzt still am Fenster,
Sie trinkt ihren Tee,
Erwartet die Heimkehr
Des Liebsten von See.
Es kommen die Freier,
Sie aber starrt
Auf die Gezeiten:
Violet harrt.
Ich spielte den allerletzten Ton, doch statt des Beifallssturms, den ich erwartet hatte, folgte nur Stille. Ich hob den Blick und sah vier große Männer vor der Kaminsohle stehen. Die Schulterpartien ihrer schweren Umhänge waren feucht von geschmolzenem Schnee. Und ihre Gesichter blickten finster entschlossen.
Drei von ihnen trugen die dunklen runden Kappen, die sie als Schutzleute auswiesen. Und als wäre das noch nicht Hinweis genug, welchem Beruf sie nachgingen, hielt jeder auch noch einen langen, in Eisen gefassten Eichenknüppel in der Hand. Sie sahen mich an wie Habichte.
Der vierte Mann stand etwas abseits. Er trug keine Schutzmannskappe und war auch längst nicht so groß und breitschultrig. Dennoch strahlte er große Autorität aus. Sein hageres Gesicht blickte grimmig, als er nun ein Schriftstück aus schwerem Pergament hervorzog, das mit zahlreichen schwarzen, amtlich aussehenden Siegeln versehen war.
|470| »Kvothe, Sohn des Arliden«, las er mit klarer, kräftiger Stimme. »Vor diesen Zeugen nehme ich Euch namens des Eisernen Gesetzes in Haft. Euch wird zur Last gelegt: Vereinigung mit dämonischen Mächten, böswilliger Gebrauch widernatürlicher Künste, Körperverletzung und Sympathievergehen.«
Ich muss wohl nicht erwähnen, dass mich das kalt erwischte. »Wie bitte?«, fragte ich begriffsstutzig. Ich hatte, wie gesagt, schon einiges getrunken.
Der Mann überhörte das und wandte sich an die Schutzleute. »Fesselt ihn.«
Einer der Schutzmänner zog eine lange, scheppernde Eisenkette hervor. Bis dahin war ich noch viel zu verblüfft gewesen, um richtig Angst zu bekommen, doch als ich diesen Mann nun auch noch eine Handfessel aus dunklem Eisen aus einem Sack ziehen sah, packte mich eine Furcht, dass mir fast die Sinne schwanden.
Da drängte sich Simmon an den Schutzleuten vorbei und baute sich vor dem vierten Mann auf.
»Was geht hier vor?«, fragte er in
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