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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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schien noch etwas hinzufügen zu wollen, schwieg aber.
    Gegen meinen Willen verstand ich sie. Meine jüngste Erfahrung mit dem Zorn des Maer hatte mich vorsichtig gemacht. »Was darfst du mir denn über ihn verraten?«
    Denna klopfte sich nachdenklich mit dem Finger an die Lippen. »Er tanzt erstaunlich gut. Ich glaube, damit verrate ich nichts. Und er ist charmant.« Sie lachte über meinen Gesichtsausdruck. »Ich stelle in seinem Auftrag bestimmte Nachforschungen an und lese alte |614| Stammbäume und Geschichtsbücher. Und er hilft mir, einige neue Lieder zu schreiben, mit denen ich mir einen Namen machen kann …« Sie zögerte und schüttelte den Kopf. »Mehr kann ich nicht sagen.«
    »Bekomme ich die Lieder zu hören, wenn sie fertig sind?«
    Denna lächelte ein wenig verlegen. »Das ließe sich wohl einrichten.« Sie sprang auf, fasste mich am Arm und zog mich ebenfalls auf die Füße. »Aber genug geredet. Begleite mich noch ein Stück!«
    Ihre Begeisterung war ansteckend wie die eines Kindes, und ich lächelte. Doch als sie an meiner Hand zog, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Ein leiser Schrei entfuhr ihr, und sie hielt sich mit einer Hand die Seite.
    Augenblicklich stand ich neben ihr. »Was hast du?«
    Denna zuckte mit den Schultern, lächelte angestrengt und hielt den Arm an die Rippen gepresst. »Ich bin doch von diesem dummen Pferd gefallen. Manchmal vergesse ich es und mache eine unbedachte Bewegung, und dann fährt mir der Schmerz hinein wie ein Blitz.«
    »Hat sich jemand die Verletzung angesehen?«
    »Es ist nur eine Prellung. Und die Sorte von Arzt, die ich mir leisten könnte, würde ich nicht an mich heranlassen.«
    »Aber dein Schirmherr könnte doch sicher danach sehen lassen.«
    Denna richtete sich langsam wieder auf. »Es ist wirklich nichts.« Sie hob die Arme über den Kopf, machte rasch einige trippelnde Tanzschritte und lachte über mein ernstes Gesicht. »Lass uns nicht mehr über Geheimnisse reden. Begleite mich ein Stück. Erzähl mir ein paar spannende Klatschgeschichten vom Hof des Maer.«
    »Also gut.« Wir setzten uns in Bewegung. »Ich habe gehört, dass der Maer auf wunderbare Weise von einer langen Krankheit genesen ist.«
    »Schöner Klatsch«, sagte Denna spöttisch. »Das weiß doch jeder.«
    »Der Baronet Bramston hat gestern Abend beim Faro furchtbar verloren.«
    Denna verdrehte die Augen. »Langweilig.«
    »Die Comtesse DeFerre hat während einer Aufführung von
Daeonica
ihre Unschuld verloren.«
    »Oh.« Denna hob die Hand an den Mund und unterdrückte ein Lachen. »Stimmt das wirklich?«
    |615| »Sie hatte sie jedenfalls nach der Pause nicht mehr«, fuhr ich mit gedämpfter Stimme fort. »Aber dann stellte sich heraus, dass sie sie in ihren Gemächern vergessen hatte. Sie hatte sie nur verlegt, nicht verloren. Die Diener fanden sie zwei Tage später beim Putzen. Sie war unter eine Kommode gerollt.«
    Denna sah mich empört an. »Dass ich dir jemals etwas geglaubt habe!« Sie schlug nach mir, presste die Lippen zusammen und sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein.
    »Übrigens«, sagte ich leiser, »habe ich an der Universität studiert. Ich bin zwar kein Physikus, verstehe mich aber ein wenig auf die Heilkunst. Ich könnte mir deine Prellung ansehen.«
    Denna musterte mich, als wüsste sie nicht, was sie von meinem Angebot halten sollte. »Das«, sagte sie schließlich, »ist womöglich der raffinierteste Versuch, mich auszuziehen, den ich je erlebt habe.«
    »Ich …« Ich spürte, wie ich feuerrot wurde. »Ich wollte überhaupt nicht …«
    Denna lachte. »Wenn ich jemanden mit mir Doktor spielen lassen würde, dann wärst du das, Kvothe. Aber noch halte ich die Schmerzen aus.« Sie hakte sich bei mir unter, und wir setzten unseren Spaziergang fort. »Ich kann gut selber auf mich aufpassen.«

    Einige Stunden später kehrte ich zurück in die Burg des Maer. Statt über die Dächer zu klettern, nahm ich den direkten Weg. Als ich in den Gang einbog, der zu meiner Unterkunft führte, sah ich, dass inzwischen zwei Wächter vor der Tür standen. Offenbar war meine Flucht entdeckt worden.
    Doch nicht einmal das konnte meine Hochstimmung trüben. Ich ging nach den Stunden mit Denna wie auf Wolken. Außerdem hatte ich mich für den nächsten Tag mit ihr zum Reiten verabredet. Dass Denna sich überhaupt auf eine feste Zeit und einen Treffpunkt eingelassen hatte, erfüllte mich mit Freude.
    »Guten Abend, meine Herren«, sagte ich, als ich näher kam. »Ist während

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