Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
Sorge, wir könnten uns noch richtig streiten, sagte ich das |690| Erstbeste, das mir in den Sinn kam. »Gibt es in deinem Leben irgendwelche neuen Männer?«
    Denna ließ ein kehliges Kichern hören. »Jetzt klingst du wie Lord Esche. Danach fragt er immer. Er findet, meine Freier seien nicht gut genug für mich.«
    Ich konnte ihm nur von Herzen zustimmen, hielt es aber für unklug, das laut zu sagen. »Und wie findet er mich?«
    »Was?« Denna schien verwirrt. »Ach so, er weiß doch gar nichts von dir. Warum sollte er?«
    Ich versuchte ein gleichgültiges Achselzucken, das mir aber offenbar gründlich misslang, denn Denna platzte lachend heraus. »Armer Kvothe, das war doch nur Spaß. Ich erzähle ihm nur von den Männern, die mir wie die Hunde hinterherhecheln. Du bist nicht wie sie. Du warst schon immer anders.«
    »Ich war immer stolz darauf, niemandem hinterherzuhecheln.«
    Denna vollführte eine Drehung mit der Schulter und schlug mich spielerisch mit dem Harfenkasten. »Du weißt schon, was ich meine. Die anderen kommen und gehen, ohne dass etwas zurückbleibt. Du bist das Gold unter der unreinen Schlacke. Lord Esche mag sich einbilden, er habe ein Recht darauf, auch mein privates Leben zu kennen.« Sie verzog ein wenig das Gesicht. »Aber das hat er nicht. Einige Einblicke gebe ich ihm natürlich …«
    Sie packte mich besitzergreifend am Oberarm. »Aber du gehörst nicht dazu«, rief sie heftig. »Du gehörst mir, ausschließlich mir. Dich teile ich mit niemandem.«
    Die momentane Spannung löste sich. Wir entfernten uns auf der breiten, nach Westen führenden Straße von Severen und plauderten und lachten dabei über unwichtige Dinge. Eine halbe Meile hinter der letzten Herberge der Stadt gelangten wir zu einem stillen Wäldchen, in dessen Mitte ein einzelner, hoher Graustein stand. Wir hatten ihn entdeckt, als wir nach Walderdbeeren gesucht hatten, und uns seitdem schon oft vor dem Lärm und Gestank der Stadt hierher zurückgezogen.
    Denna setzte sich an den Fuß des Grausteins und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Dann holte sie die Harfe aus dem Kasten und drückte sie an die Brust. Dabei verrutschte ihr Kleid und entblößte |691| eine geradezu skandalöse Menge Bein. Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und grinste, als wisse sie genau, was ich dachte.
    »Schöne Harfe«, sagte ich gelassen.
    Sie schnaubte undamenhaft.
    Ich blieb sitzen, wo ich war, und streckte bequem die Beine in das hohe, kühle Gras. Ich riss einige Halme aus und begann müßig, einen Zopf zu flechten.
    Dabei war ich ziemlich nervös. Wir hatten im vergangenen Monat sehr viel Zeit miteinander verbracht, aber ich hatte Denna noch nie ein eigenes Lied spielen hören. Wir hatten zusammen gesungen, und ich wusste, dass ihre Stimme wie Honig auf warmem Brot war. Ich wusste auch, dass sie sichere Finger hatte und das Rhythmusgefühl eines Musikers …
    Aber ein Lied zu schreiben ist nicht dasselbe wie eines zu spielen. Wenn ihr Lied nun nichts taugte? Was sollte ich dann sagen?
    Denna hob die gespreizten Finger an die Saiten, und meine Sorgen traten in den Hintergrund. Die Art, wie eine Frau die Hände an die Saiten einer Harfe legt, hat für mich seit je etwas ungeheuer Sinnliches. Denna begann mit einem perlenden Glissando von der obersten Saite bis zur untersten. Es klang wie lauter kleine Hämmerchen auf Glocken, wie Wasser auf Steinen oder Vogelgezwitscher in der Luft.
    Sie hielt inne und stimmte eine Saite. Sie zupfte daran und stimmte noch einmal. Dann schlug sie einen harten Akkord an, der eine Weile nachklang, und sah mich an. Nervös streckte sie die Finger. »Bereit?«
    »Du bist wunderbar«, sagte ich.
    Sie wurde ein wenig rot und strich die Haare zurück, um ihre Verlegenheit zu überspielen. »Dummkopf. Ich habe doch noch gar nicht angefangen.«
    »Du bist trotzdem wunderbar.«
    »Pst!« Sie schlug wieder einen Akkord an und entwickelte daraus eine Melodie, die sich sacht hob und senkte. Dazu sprach sie die Einleitung des Liedes. Die traditionelle Eröffnung überraschte mich, allerdings auf angenehme Weise. Das Altbewährte ist das Beste.
     
    |692|
Kommt herbei und hört mich an!
    Eine traurige Mär sei euch kundgetan.
    Ich singe davon, wie langsam ein Schatten
    Sich legte auf ein Land und wie ein Mann
    Mit fester Hand ein Ziel angriff, das wenige ertrugen:
    Der holde Lanre. Selbst gebracht um Weib und Leib und Ehr
    Blieb seinem Ziel er treu in seinen Taten,
    Trotzte den Gegnern, fiel und ward

Weitere Kostenlose Bücher