Die Furcht des Weisen / Band 1
sehen, was das für ein Lärm war. Einer der Studenten war Simmon. »Kvothe?«, sagte er. »Was machst du da? Das ist doch gar nicht meine Tür.«
Ich lief hinüber, drängte ihn zurück ins Zimmer und schloss die Tür hinter uns. »Simmon! Ambrose hat mich unter irgendwelche Drogen gesetzt! Mit meinem Kopf stimmt irgendwas nicht, aber ich weiß nicht, was es ist!«
Simmon grinste. »Das hab ich mir schon gedacht … Hey, was machst du da? Spuck hier nicht auf den Fußboden!«
»Ich hab so einen seltsamen Geschmack im Mund«, erklärte ich.
»Na und?«, sagte er verärgert und verwirrt. »Was ist los mit dir? Hat dir deine Mutter keine Manieren beigebracht? Bist du in einer Scheune geboren?«
Ich verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige, die ihn an die Wand warf. »Ja, ich bin tatsächlich in einer Scheune geboren«, sagte ich grimmig. »Passt dir daran was nicht?«
Sim stand da, stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und hielt sich mit der anderen die gerötete Wange. Sein Blick war ein Bild des Erstaunens. »Um Gottes willen, was hast du denn?«
»Ich habe gar nichts«, erwiderte ich. »Aber du solltest mal besser aufpassen, was für einen Ton du mir gegenüber anschlägst. Ich mag dich, aber dass ich keine reichen Eltern habe, bedeutet nicht, dass du |106| auch nur einen Deut besser bist als ich.« Ich runzelte die Stirn und spuckte erneut aus. »Gott, ist das widerlich. Ich hasse Muskatnuss. Hab ich schon als Kind gehasst.«
Mit einem Mal guckte Sim, als hätte er etwas kapiert. »Dieser seltsame Geschmack in deinem Mund«, sagte er. »Ist das Pflaumenaroma und irgendwelche Gewürze?«
Ich nickte. »Es ist abscheulich.«
»Bei Gottes grauer Asche«, stieß Sim in bitterem Ernst hervor. »Also gut. Du hast recht. Du wurdest unter Drogen gesetzt. Ich weiß, was es ist.« Er verstummte, als ich kehrt machte und die Tür öffnete. »Was machst du?«
»Jetzt bringe ich Ambrose um«, sagte ich. »Weil er mich vergiftet hat.«
»Das ist kein Gift. Es ist –« Er hielt inne und fuhr mit ruhiger Stimme fort: »Wo hast du denn das Messer her?«
»Das trage ich immer am Bein festgeschnallt, unter der Hose«, sagte ich. »Für Notfälle.«
Sim atmete tief durch. »Gibst du mir bitte kurz die Gelegenheit, das zu erklären, bevor du losläufst und Ambrose umbringst?«
Ich zuckte die Achseln. »Also gut.«
»Würde es dir etwas ausmachen, dich hinzusetzen, während wir uns unterhalten?« Er zeigte auf einen Stuhl.
Ich seufzte und setzte mich. »Aber mach schnell. Meine Prüfung fängt bald an.«
Sim nickte ganz ruhig und ließ sich mir gegenüber auf der Bettkante nieder. »Kennst du das: Wenn jemand betrunken ist und sich in den Kopf setzt, irgendeinen Blödsinn anzustellen? Und man kann es ihm einfach nicht ausreden, obwohl es ganz offensichtlich eine schlechte Idee ist?«
Ich lachte. »Wie damals, als du vor dem EOLIAN diese Harfenistin anquatschen wolltest und stattdessen ihr Pferd vollgekotzt hast?«
Er nickte. »Ja, genau. Es gibt etwas, das Alchemisten herstellen können und das die gleiche Wirkung hat, bloß viel extremer.«
Ich schüttelte den Kopf. »Aber ich fühle mich überhaupt nicht betrunken. Mein Kopf ist ganz klar.«
Sim nickte erneut. »Es fühlt sich auch nicht so an, als ob man betrunken |107| wäre«, sagte er. »Es betrifft nur diesen einen Aspekt. Man wird nicht benommen oder müde davon. Es macht es einem Menschen nur sehr viel leichter, Dummheiten zu begehen.«
Ich überlegte kurz. »Ich glaube nicht, dass es das ist«, sagte ich. »Mir ist überhaupt nicht danach, Dummheiten zu begehen.«
»Es gibt eine Möglichkeit, das festzustellen«, sagte Sim. »Kannst du jetzt im Moment an etwas denken, das dir als schlechte Idee erscheint?«
Ich grübelte und tippte mir dabei mit der flachen Messerklinge an den Stiefel.
»Es wäre eine schlechte Idee, wenn ich …« Ich verstummte und grübelte weiter. Sim sah mich erwartungsvoll an.
»… jetzt vom Dach springen würde?«, sagte ich so, dass es wie eine Frage klang.
Sim sagte nichts darauf und sah mich weiter an.
»Ich glaube, ich sehe das Problem«, sagte ich. »Ich scheine überhaupt keine Hemmungen mehr zu haben.«
Sim lächelte erleichtert und nickte mir ermutigend zu. »Genau das ist es. Alle deine Hemmungen sind so säuberlich entfernt worden, dass du erst gar nicht merkst, dass sie weg sind. Alles andere bleibt dabei unverändert. Du bist nüchtern, redegewandt und vernünftig.«
»Du schlägst schon wieder so einen
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