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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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»Nicht jeder von uns lernt nur so zum Spaß ganze Balladen auswendig.«
    Ich zuckte die Achseln und begann die Titel niederzuschreiben. »Es geht wahrscheinlich schneller, wenn wir die Liste in drei Teile aufteilen«, sagte ich.
    Wil sah mich an. »Du glaubst, du kannst hier einfach alleine rumlaufen und findest deine Bücher?« Er sah zu Sim hinüber, der breit grinste.
    Natürlich. Ich wusste ja angeblich nichts über den Aufbau des Magazins. Wil und Sim hatten keine Ahnung, dass ich mich seit fast einem Monat hier nachts hereingeschlichen hatte.
    Es war nicht so, dass ich ihnen nicht vertraute, aber Sim konnte einfach nicht lügen, selbst wenn sein Leben davon abgehangen hätte, und Wil arbeitete nebenher in der Bibliothek. Ich wollte nicht, dass es dazu kam, dass er sich zwischen meinem Geheimnis und seiner Loyalität Lorren gegenüber entscheiden musste.
    Und daher beschloss ich, mich dumm zu stellen. »Ach, irgendwie finde ich mich schon zurecht«, sagte ich unbekümmert. »So schwierig kann das ja nicht sein.«
    |179| »Es gibt in dieser Bibliothek so viele Bücher«, sagte Wilem, »dass man eine ganze Spanne bräuchte, um auch nur alle Titel abzulesen.« Er hielt inne und sah mich eindringlich an. »Elf Tage, und zwar ohne Schlaf- oder Essenspausen.«
    »Echt?«, fragte Sim. »So lange?«
    Wil nickte. »Das habe ich letztes Jahr errechnet. Damit kann man den E’lir das Maul stopfen, wenn sie mal wieder rumjammern, weil sie warten müssen, bis ich ein Buch für sie rausgesucht habe. Und es gibt hier auch Bücher ohne Titel. Und Schriftrollen. Und Tontafeln. Und das alles in vielen verschiedenen Sprachen.«
    »Tontafeln? Was denn für Tontafeln?«, fragte ich.
    »Die zählen zu den wenigen Dingen, die den Brand von Caluptena überstanden haben. Einige wurden transkribiert, aber längst noch nicht alle.«
    »Darum geht’s doch jetzt gar nicht«, sagte Sim. »Es geht um den Aufbau des Magazins.«
    »Der Katalog«, sagte Wil. »Da hat es im Laufe der Jahre die unterschiedlichsten Systeme gegeben. Manche Meister bevorzugen das eine, andere ein anderes.« Er runzelte die Stirn. »Wieder andere erschaffen eigene Systeme.«
    Ich lachte. »Du hörst dich an, als gehörten sie dafür an den Pranger gestellt.«
    »Vielleicht schon«, brummte Wil. »Ich würde jedenfalls nicht dagegen protestieren.«
    Sim sah ihn an. »Du kannst es einem Meister doch nicht verübeln, dass er versucht, die Dinge auf die bestmögliche Art und Weise zu organisieren.«
    »Doch, das kann ich«, sagte Wilem. »Wenn die Bibliothek einfach nur schlecht organisiert wäre, wäre das eine Unannehmlichkeit, mit der wir umgehen könnten. Das Problem ist aber, dass es hier in den letzten fünfzig Jahren so viele unterschiedliche Systeme gegeben hat. Es gibt unzählige falsch etikettierte Bücher, so viele falsch übersetzte Titel.«
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und klang mit einem Mal ganz erschöpft. »Und ständig kommen neue Bücher dazu und müssen katalogisiert werden. Und dann immer diese stinkfaulen |180| E’lir im Präsenzbereich, für die wir sie herbeischaffen müssen. Es ist, als sollte man auf dem Grund eines Flusses ein Loch ausheben.«
    »Du willst damit also sagen«, bemerkte ich, »dass du deine Arbeit hier in der Bibliothek als lohnende und dankbare Aufgabe empfindest.«
    Sim musste loslachen und hielt sich den Mund zu.
    »Und dann sind da so Leute wie du«, sagte Wil und sah mich an, und nun klang seine Stimme regelrecht bedrohlich. »Studenten, die ungehindert im Magazin herumlaufen dürfen. Ihr kommt hier rein, lest ein Buch halb durch und versteckt es dann irgendwo, damit ihr gleich weiterlesen könnt, wenn ihr mal wieder Zeit dafür habt.« Wils Hände machten eine Bewegung, als hielte er jemanden beim Hemdkragen gepackt. Oder bei der Kehle. »Und dann vergesst ihr natürlich, wo ihr das Buch hingelegt habt, und damit ist es so verschollen, dass ihr es auch ebenso gut gleich hättet verbrennen können.«
    Wil richtete einen Zeigefinger auf mich. »Wenn ich jemals mitkriege, dass du so was getan hast«, sagte er, und seine Augen glühten vor Wut, »dann kann dich kein Gott vor mir beschützen.«
    Ich dachte schuldbewusst an die drei Bücher, die ich während meiner Prüfungsvorbereitungen auf eben diese Weise versteckt hatte. »Ich verspreche dir«, sagte ich, »dass ich so etwas nie tun werde.«
Nie wieder tun werde
.
    Sim stand vom Tisch auf und rieb sich geschäftig die Hände. »Kurz gesagt: Das ist hier ein

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