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Die Furcht des Weisen / Band 1

Die Furcht des Weisen / Band 1

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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gern gemocht.«
    Alle tranken.
    »Er war der Tapferste von uns allen«, sagte Cob. »Er war der Erste, der gestern Abend diesem Kerl ein Messer reingerammt hat. Wenn das ein normaler Mensch gewesen wäre, wäre er damit erledigt gewesen.«
    Cobs Stimme bebte ein wenig, und einen Moment lang sah er ganz klein und erschöpft aus und genauso alt, wie er war. »Aber dem war ja nicht so. Es sind keine guten Zeiten für einen tapferen Mann. Aber er war’s dennoch. Ich wünschte, ich wäre so tapfer gewesen und wäre jetzt an seiner Stelle tot, und er wäre daheim bei seiner jungen Frau.«
    Die anderen murmelten etwas, und dann tranken sie alle ihre Krüge leer. Graham hustete, ehe er seinen Krug auf dem Tresen abstellte.
    »Ich wusste nicht, was ich sagen sollte«, sagte der Schmiedelehrling leise.
    Graham klopfte ihm lächelnd auf den Rücken. »Du hast das gut gemacht, Junge.«
    Der Wirt räusperte sich, und alle sahen ihn an. »Ich hoffe, ihr haltet mich nicht für dreist«, sagte er. »Ich kannte ihn nicht so gut wie ihr. Nicht gut genug für einen Trinkspruch bei dieser ersten Runde, aber vielleicht gut genug für einen bei der zweiten.« Er nestelte an den Bändern seiner Schürze herum, als wäre es ihm peinlich, dass er |204| sich überhaupt zu Wort meldete. »Ich weiß, es ist noch früh, aber ich möchte wirklich gern mit einem Gläschen Whiskey mit euch auf Shep anstoßen.«
    Dafür erntete er beifälliges Gemurmel. Er holte Whiskeygläser unterm Tresen hervor und begann sie zu füllen – und zwar nicht aus einer Flasche, sondern aus dem großen Whiskeyfass. Whiskey vom Fass kostete einen ganzen Penny pro Schluck, und so hoben sie die Gläser mit größerer Herzlichkeit, als es sonst der Fall gewesen wäre.
    »Also, worauf trinken wir?«, fragte Graham.
    »Darauf, dass dieses Scheißjahr endlich zu Ende geht?«, sagte Jake.
    »Das ist kein anständiger Trinkspruch«, grummelte der alte Cob. »Auf den König?«, schlug Aaron vor.
    »Nein«, sagte der Wirt mit erstaunlich fester Stimme. »Auf alte Freunde, die Besseres verdient hätten, als ihnen widerfahren ist.«
    Die Männer auf der anderen Seite des Tresens nickten ernst und kippten ihren Whiskey.
    »Meine Güte, was für schöne Gläser«, sagte der alte Cob respektvoll und bekam feuchte Augen. »Du bist wirklich ein Gentleman, Kote. Und ich bin froh, dass ich dich kenne.«
    Als der Schmiedelehrling seinen Whiskey-Tumbler auf den Tresen stellte, kippte das Glas um und kullerte übers Holz. Er fing es auf, bevor es zu Boden fallen konnte, und beäugte argwöhnisch die gerundete Glasunterseite.
    Jake lachte lauthals über Aaron. Der Schmiedelehrling blickte beschämt, drehte sein Glas um und stellte es, wie die anderen es mit ihren Gläsern bereits getan hatten, verkehrt herum auf dem Tresen ab. Der Wirt schenkte ihm ein begütigendes Lächeln, sammelte die Gläser ein und verschwand mit ihnen in der Küche.
    »Also gut«, sagte der alte Cob und rieb sich die Hände. »So werden wir es einen ganzen Abend lang machen, wenn ihr aus Baedn zurück seid. Aber das Wetter wartet nicht auf mich, und die Orrisons wollen sicher längst los.«
    Nachdem sie alle den Schankraum verlassen hatten, kam Kvothe wieder aus der Küche und kehrte an den Tisch zurück, an dem Bast und der Chronist immer noch saßen.
    |205| »Ich mochte Shep«, sagte Bast leise. »Cob mag ja ein komischer alter Kauz sein, aber meistens weiß er durchaus, was er sagt.«
    »Cob weiß nicht mal halb so viel, wie er sich einbildet«, sagte Kvothe. »Du warst es, der gestern Abend alle gerettet hat. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte dieses Wesen alle im Raum niedergemacht.«
    »Das stimmt doch überhaupt nicht, Reshi«, erwiderte Bast aufgebracht. »Du hättest ihm schon Einhalt geboten. Wie du das immer machst.«
    Der Wirt tat die Bemerkung mit einem Achselzucken ab, wollte offenkundig nicht darüber diskutieren. Bast kniff den Mund und die Augen zusammen.
    »Aber dennoch …«, sagte der Chronist leise und durchbrach damit die in der Luft liegende Anspannung. »Cob hat recht mit dem, was er sagt. Es war sehr tapfer von Shep. Das muss man respektieren.«
    »Nein, muss man nicht«, sagte Kvothe. »Cob hat mit etwas anderem recht: Es sind keine guten Zeiten für tapfere Männer.« Dann wies er den Chronisten mit einem Wink an, die Feder wieder zur Hand zu nehmen. »Trotzdem wünschte auch ich, ich wäre tapferer gewesen, und Shep wäre jetzt daheim bei seiner jungen Frau.«

|206| Kapitel 18
Wein und

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