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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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die Haare, blieb vor mir stehen und sah mir in die Augen.
    Ihre Augen erinnerten mich an die von Elodin. Nicht in den Einzelheiten. Elodins Augen waren grün, stechend und spöttisch, Magwyns dagegen grau wie bei den anderen Adem, etwas wässrig und rotgerändert. Nein, die Ähnlichkeit bestand darin, wie sie mich ansah. Elodin war der einzige Mensch, den ich kannte, der einen so ansehen konnte, als sei man ein Buch, das er müßig durchblätterte.
    Als Magwyn mich zum ersten Mal ansah, hatte ich das Gefühl, als bekäme ich keine Luft mehr. Einen kurzen Augenblick lang fürchtete ich, sie könnte über das, was sie sah, erschrocken sein, aber das gab mir wahrscheinlich nur meine Angst ein. Ich hatte in letzter Zeit zu oft am Rande der Katastrophe gestanden, und ein Teil von mir wartete trotz der erfolgreich bestandenen Prüfung immer noch auf die nächste Hiobsbotschaft.
    »Maedre«, sagte sie, ohne den Blick abzuwenden. Dann schlug sie die Augen nieder und schlurfte zu ihren Büchern zurück.
    »Maedre?«, wiederholte Vashet. Sie klang eine Spur unwillig. Vielleicht hätte sie noch etwas gesagt, doch Shehyn streckte rasch die Hand aus und versetzte ihr einen scharfen Stoß an die Schläfe.
    Genauso hatte Vashet mich im vergangenen Monat tausend Mal zurechtgewiesen. Ich musste unwillkürlich lachen.
    Vashet und Shehyn funkelten mich zornig an.
    Auch Magwyn sah mich an. Sie schien nicht weiter überrascht. »Lachst du über den Namen, den ich dir gegeben habe?«
    »Nein, Magwyn«, sagte ich hastig und machte mit meiner verbundenenHand so gut es ging die Gebärde für
größte Achtung
. »Namen sind sehr wichtig.«
    Magwyn sah mich weiter an. »Was versteht ein Barbar von Namen?«
    »Einiges«, antwortete ich und fuchtelte wieder mit meiner verbundenen Hand. Ohne sie musste ich auf feinere Nuancen verzichten. »Ich habe mich an einem Ort weit weg von hier damit befasst und weiß darüber mehr als viele andere, aber natürlich immer noch sehr wenig.«
    Magwyn musterte mich erneut lange. »Dann weißt du, dass du mit niemandem über deinen neuen Namen sprechen darfst. Er gehört nur dir, und es ist gefährlich, ihn jemandem zu verraten.«
    Ich nickte.
    Magwyn schien damit zufrieden. Sie setzte sich wieder und schlug ein Buch auf. »Vashet, mein kleines Häschen, komm mich bald einmal besuchen.«
Zärtlicher Vorwurf, liebevoll.
    »Bestimmt, Großmutter«, antwortete Vashet.
    »Danke, Magwyn«, sagte Shehyn.
Ehrerbietigster Dank.
    Die Alte nickte zum Abschied zerstreut und wir folgten Shehyn nach draußen.
     
    Später am Abend kehrte ich noch einmal zu Vashets Haus zurück. Vashet saß auf der Bank davor und betrachtete den Himmel, an dem soeben die Sonne unterging.
    Sie klopfte auf den Platz neben sich und ich setzte mich. »Wie fühlt es sich an, kein Barbar mehr zu sein?«, fragte sie.
    »So ähnlich wie bisher«, antwortete ich. »Etwas beschwipster.«
    Nach dem Abendessen hatte Penthe mich zu sich nach Hause geschleppt, wo eine Art Feier stattfand. Oder vielleicht genauer ein geselliges Beisammensein, da keine Musik gespielt und auch nicht getanzt wurde. Immerhin war ich geschmeichelt, dass Penthe sich die Mühe gemacht hatte, fünf weitere Adem aufzutreiben, die meine Aufnahme in die Schule mit mir feiern wollten.
    Ich stellte zu meiner Freude fest, dass die unbewegten Mienen der Adem sich gleich nach den ersten Schlucken Alkohol auflösten. Schon bald grinsten wir alle wie Barbaren. Ich entspannte mich, zumalich jetzt meiner verbundenen Hand die Schuld an meiner mangelhaften Beherrschung der Sprache geben konnte.
    »Shehyn hat heute gesagt, sie wisse etwas über die Rhinta«, begann ich vorsichtig.
    Vashet sah mich mit ausdruckslosem Gesicht an.
Zögernd.
    »Ich habe schon überall nach solchen Informationen gesucht«, fuhr ich fort. »Es gibt kaum etwas, das für mich wichtiger wäre.«
Äußerste Aufrichtigkeit.
»Und ich habe das Gefühl, dass ich das Shehyn nicht genügend deutlich gemacht habe.«
Frage, dringende Bitte.
    Vashet sah mich einen Moment lang an, als warte sie darauf, dass ich noch etwas sagte. Dann machte sie die Geste für
Zurückhaltung.
»Ich werde Shehyn darauf ansprechen.«
Beruhigung. Beendet.
    Ich nickte und ließ das Thema fallen.
    Eine Weile saßen wir in geselligem Schweigen da, während die Sonne langsam hinter den Horizont sank. Vashet holte tief Luft und seufzte ausgiebig. Mir wurde bewusst, dass wir noch nie so nebeneinander gesessen hatten, von kurzen Verschnaufpausen oder

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