Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
Schmetterlinge. Ich holte tief Luft, setzte meine unschuldigste Miene auf und hob den Kopf.
Felurian sah mich mit einer Mischung aus Wut und Fassungslosigkeit an. »nett?« Ich spürte, wie ich erbleichte. Ihre Stimme klang immer noch lieblich und sanft wie eine ferne Flöte, aber das hatte nichts zu bedeuten. Von weit entferntem Donner bekommt man keine tauben Ohren, man spürt ihn in der Brust. Genauso spürte ich ihre Stimme. »nett?«
»Aber das war es doch«, sagte ich, um sie zu besänftigen. Meine Unschuldsmiene war nur zur Hälfte vorgetäuscht.
Sie öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, und schloss ihn wieder. Ihre Augen schossen wütende Blitze.
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Ich hätte es gar nicht erst versuchen dürfen.« In meiner Stimme schwang eine Mischung aus Zerknirschung und gescholtenem Kind. Ich nahm die Hände von den Saiten.
Felurians Wut ließ ein wenig nach, aber ihre Stimme klang immer noch gepresst und bedrohlich. »und meine liebeskunst ist
honett?«
Das letzte Wort schien sie kaum über die Lippen zu bringen. Ihr Mund war ein dünner Strich.
Ich explodierte, und meine Stimme rollte wie Donner. »Aber woher zum Teufel soll ich das denn wissen? Ich habe so etwas doch noch nie getan!«
Sie zuckte erschrocken über die Heftigkeit meiner Worte zusammen, und ihre Empörung legte sich ein wenig. »wovon redest du denn?« Sie verstummte verwirrt.
»Von dem da!« Ich zeigte verlegen auf mich, auf sie, auf die Kissen und die Laube, als sei damit alles erklärt.
Da begriff sie, und ihre Empörung legte sich vollends. »du …«
»Nein.« Ich senkte den Blick und wurde rot. »Ich war noch nie mit einer Frau zusammen.« Ich hob den Kopf und blickte sie trotzig und herausfordernd an.
Felurian schwieg einen Moment, dann verzog sie den Mund zu einem schiefen Lächeln. »du erzählst märchen, mein kvothe.«
Ich merkte, wie sich meine Miene verfinsterte. Es macht mir nichts aus, Lügner genannt zu werden. Ich bin einer, ein ganz fabelhafter sogar. Aber ich will nicht Lügner genannt werden, wenn ich zufällig die reine Wahrheit sage.
Mein finsteres Gesicht schien Felurian zu überzeugen, obwohl es einen anderen Grund hatte. »aber du warst wie ein leichtes sommergewitter.« Sie machte eine flatternde Handbewegung. »ein wackerer tänzer auf dem feld.« In ihre Augen trat ein schelmisches Glitzern.
Ich merkte mir ihre Worte für spätere Verwendung zur Stärkung meines Selbstbewusstseins. »Ich bin auch kein völliger Grünschnabel«,sagte ich ein wenig gekränkt. »Ich habe verschiedene Bücher gelesen …«
Felurian gluckste wie ein plätscherndes Bächlein. »aus büchern gelernt hast du.« Sie musterte mich unsicher, ob sie mich ernst nehmen durfte. Dann lachte sie, verstummte und lachte wieder. Ich wusste nicht, ob ich beleidigt sein sollte.
»Und du warst ziemlich gut«, sagte ich hastig. Es klang wie das verspätete Kompliment eines Essensgastes. »Denn ich habe gelesen …«
»bücher? bücher! du vergleichst mich mit büchern!« Sie funkelte mich wütend an. Dann, ohne Atem zu holen, lachte sie wieder entzückt. Ihr Lachen war so wild wie der Schrei des Fuchses und so klar und scharf wie morgendliches Vogelgezwitscher. Es hatte nichts Menschliches.
Ich setzte eine Unschuldsmiene auf. »Ist es denn nicht immer so?«, fragte ich äußerlich ruhig, aber innerlich auf den nächsten Wutausbruch gefasst.
Sie starrte mich nur an. »ich bin Felurian.«
Es klang wie eine Erklärung, als hätte sie eine stolze Fahne aufgezogen.
Ich sah sie einen Moment lang an, seufzte und senkte den Blick auf meine Laute. »Entschuldige das Lied. Ich wollte dich nicht kränken.«
»aber es war schöner als die abendsonne«, protestierte sie. Sie klang den Tränen nahe. »bis auf …
nett?«
Das Wort schien ihr bitter aufzustoßen.
Ich legte die Laute in den Kasten zurück. »Es tut mir leid, ich kann das nicht verbessern, solange ich keinen Vergleich habe.« Ich seufzte wieder. »Schade, denn das Lied war gut. Man hätte es noch in tausend Jahren gesungen.« Ich legte tiefstes Bedauern in meine Stimme.
Felurians Miene hellte sich auf, als sei ihr etwas eingefallen. Sie musterte mich mit zusammengekniffenen Augen, als wollte sie meine Gedanken lesen.
Sie hatte mich durchschaut. Sie wusste, dass ich sie mit dem unvollendeten Lied erpressen wollte. Die unausgesprochene Botschaftlautete: Nur wenn ich gehe, werde ich das Lied je zu Ende schreiben können. Andernfalls wird niemand je die schönen
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