Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
den Kopf. »er ist fertig«, sagte sie. Dann sah sie mich und riss erstaunt die Augen auf.
Ich blickte an mir hinab. Ich hatte mir die Haut an Dornengestrüpp blutig gerissen, und die linke Hälfte meines Körpers war mit Dreck besudelt und voller Grasflecken. Offenbar war ich auf meiner besinnungslosen Flucht vor dem Cthaeh gestürzt.
Felurian setzte sich auf. »was ist passiert?«
Ich streifte ein wenig getrocknetes Blut von meinem Ellbogen. »Ich könnte dich dasselbe fragen.« Meine Stimme klang belegt und heiser wie vor lauter Schreien. Ich hob den Kopf. Felurian musterte mich besorgt. »Ich bin tagwärts durch den Wald gegangen. Dann habe ich in einem Baum ein Wesen entdeckt, das sich Cthaeh nannte.«
Felurian erstarrte, als ich den Namen aussprach. »Cthaeh? hast du mit ihm gesprochen?«
Ich nickte.
»und fragen gestellt?« Doch noch bevor ich antworten konnte, sprang sie mit einem leisen Schrei auf und eilte zu mir. Mit den Händen fuhr sie über meinen Körper, als suche sie nach Wunden. Anschließend ergriff sie mein Gesicht und blickte mir in die Augen, als fürchte sie, was sie dort finden würde. »geht es dir gut?«
Ich musste ein wenig lächeln, als ich sie so besorgt sah, und versicherte ihr, dass mir nichts fehle. Doch dann fiel mir ein, was der Cthaeh gesagt hatte. Ich dachte an das Feuer und den Mann mit den kohlschwarzen Augen und an Denna, wie sie den Mund voller Blut auf dem Boden lag. Tränen traten mir in die Augen, und der Atem stockte mir. Ich wandte mich ab, schloss fest die Augen und schüttelte den Kopf, unfähig zu sprechen.
Felurian strich mir über den Nacken. »alles ist gut«, sagte sie. »der schmerz wird vergehen. er hat dich nicht gebissen. und dein blick ist klar, deshalb ist alles gut.«
Ich machte mich von ihr los und sah sie an. »Mein Blick?«
»manche menschen zerbrechen innerlich an dem, was der Cthaeh ihnen sagt, aber wenn das bei dir so wäre, würde ich es sehen. du bist noch mein kvothe, mein lieber dichter.« Sie beugte sich merkwürdig zögernd vor und küsste mich sacht auf die Stirn.
»Er treibt die Menschen mit seinen Lügen in den Wahnsinn?«
Felurian schüttelte langsam den Kopf. »der Cthaeh lügt nicht. er hat die gabe zu sehen, sagt aber nur dinge, um andere zu verletzen. nur ein dennerling würde freiwillig mit dem Cthaeh sprechen.« Sie legte mir eine Hand an den Hals, um ihre Worte abzumildern.
Ich nickte, weil ich wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Dann begann ich zu weinen.
Kapitel 105
Zwischenspiel:
Etwas Köstliches
K vothe ließ den Chronisten mit einer Handbewegung innehalten. »Geht’s dir nicht gut, Bast?«, fragte er und sah seinen Schüler besorgt an. »Du siehst aus, als hättest du einen Eisenklumpen verschluckt.«
Bast sah tatsächlich angeschlagen aus. Sein Gesicht war beinahe wachsbleich, und seine sonst meist so fröhliche Miene war einem entgeisterten Ausdruck gewichen. »Reshi«, sagte er, mit einer Stimme so trocken wie raschelndes Herbstlaub. »Du hast mir nie erzählt, dass du mit dem Cthaeh gesprochen hast.«
»Ich hab dir vieles nie erzählt, Bast«, erwiderte Kvothe leichthin. »Deshalb findest du die schäbigen Einzelheiten meiner Lebensgeschichte ja so spannend.«
Bast antwortete mit einem matten Lächeln und ließ erleichtert die Schultern hängen. »Dann stimmt das also gar nicht? Dass du mit ihm gesprochen hast, meine ich? Du hast das nur dazuerfunden, um der ganzen Sache ein bisschen mehr Würze zu verleihen?«
»Also bitte, Bast«, sagte Kvothe, offensichtlich gekränkt. »Meine Geschichte hat auch so genug Würze. Da muss ich nichts dazuerfinden.«
»Lüg mich nicht an!«, schrie Bast unvermittelt und erhob sich halb von seinem Stuhl. »Lüg mich nicht an! Wage es nicht!« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, so dass sein Krug umkippte und das Tintenfass des Chronisten über die Tischplatte schlitterte.
Blitzschnell riss der Chronist das halb beschriebene Blatt fort, stieß sich mit den Füßen vom Tisch ab und rettete so das Papier vor der plötzlichen Gischt aus Tinte und Bier.
Bast beugte sich vor, das Gesicht hochrot, und fuchtelte in Kvothes Richtung mit dem Zeigefinger. »Es interessiert mich nicht, was für Flachs du sonst hier zu Gold spinnst! Aber in dieser Sache lügst du mich nicht an, Reshi! Nicht mich!«
Kvothe wies auf den Chronisten, der immer noch dort saß und das gerettete Blatt mit beiden Händen emporhielt. »Bast«, sagte er. »Das hier ist meine Chance, meine
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