Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag
wirkenden Truppe von Wanderschauspielern. Es handelte sich nicht um Edema Ruh, und sie waren nur zu viert: ein älterer Mann, zwei Männer in den Zwanzigern und ein acht oder neun Jahre alter Junge. Sie packten gerade ihren klapprigen Karren, als wir anhielten, um Hespes Bein eine Pause zu gönnen.
»Seid gegrüßt, ihr Schauspieler«, rief ich.
Sie hoben erschrocken den Kopf und beruhigten sich erst etwas, als sie die Laute auf meinem Rücken sahen. »Sei gegrüßt, Barde.«
Ich lachte und gab ihnen die Hand. »Ich bin kein Barde, nur ein kleiner Sänger.«
»Sei trotzdem gegrüßt«, erwiderte der Alte lächelnd. »Wohin seid ihr unterwegs?«
»Von Nord nach Süd. Und ihr?«
Da ich in eine andere Richtung unterwegs war als sie, beruhigten sie sich vollends. »Von Ost nach West«, sagte der Alte.
»Und wie läuft das Geschäft?«
Er zuckte mit den Schultern. »In letzter Zeit nur mäßig. Aber wir haben von einer adligen Dame namens Schreiber gehört, die nur zwei Tage von hier entfernt wohnt. Es heißt, sie weise niemanden ab, solange er nur ein wenig fiedeln oder schauspielern kann. Dort hoffen wir, den einen oder anderen Penny zu verdienen.«
»Als wir den Bären noch hatten, ging es uns besser«, warf einer der jüngeren Männer ein. »Für einen Kampf von Hunden gegen einen Bären zahlen die Leute.«
»Er ist vor einem Jahr gestorben«, erklärte der Alte. »An einem Hundebiss.«
»Was für ein Jammer«, rief ich. »Bären sind schwer zu bekommen.« Die Männer nickten stumm. »Ich hätte ein neues Lied für euch. Was gebt ihr mit dafür?«
Der Alte musterte mich misstrauisch. »Vielleicht kennen wir es jaschon«, meinte er. »Und ein neues Lied muss nicht unbedingt gut sein, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Urteilt selbst«, sagte ich und nahm meine Laute aus dem Kasten. Ich hatte das Lied eigens so geschrieben, dass man es leicht behalten und singen konnte. Trotzdem musste ich es zwei Mal wiederholen, bis der Alte alles verstanden hatte. Die Schauspieler waren wie gesagt keine Edema Ruh.
»Nicht schlecht«, gab er widerstrebend zu. »Von Felurian hören alle gern. Aber ich wüsste nicht, was wir euch dafür geben könnten.«
»Ich habe ein Gedicht auf die Melodie von
Tinker Tanner
gemacht«, rief der Junge eifrig.
Die anderen wollten ihn zum Schweigen bringen, aber ich lächelte. »Das würde ich gerne hören.«
Der Junge straffte sich ein wenig und sang dann mit seiner kindlich hellen Stimme:
Einst sah ich ein Bauernmädchen so hold
Am Flussufer ganz allein.
Sie wusch sich, so sah ich ihre Gestalt.
Sprach, sie fänd es nicht schön,
Könnt ein Mann etwas sehn,
Und so seifte sie langsam sich wieder ein.
»Das ist gut«, lobte ich lachend. »Aber wie findest du das?
Einst sah ich ein Bauernmädchen so hold
Am Flussufer ganz allein.
Sie erklärte, als ich ihr Bewundrung gezollt,
Ihre Reinheit nähm Schaden,
Sähe sie wer beim Baden,
Und sie seifte sich gleich wieder ein.«
Der Junge überlegte kurz und sagte dann: »Meins gefällt mir besser.«
Ich klopfte ihm auf den Rücken. »Das ist auch ganz in Ordnung so.« Ich wandte mich wieder an den Anführer der kleinen Truppe. »Gibt es Neuigkeiten?«
Der Alte überlegte kurz. »Banditen treiben im Eld nördlich von hier ihr Unwesen.«
Ich nickte. »Sie wurden unschädlich gemacht, soweit ich weiß.«
Der Alte überlegte wieder. »Alveron will die Tochter der Lackless heiraten.«
»Ich kenne ein Gedicht über sie!«, rief der Junge wieder und fing auch gleich an:
Sieben Dinge, die verbieten
Durch die Lackless-Tür zu treten …
»Pst!« Der Alte gab dem Jungen einen leichten Klaps auf den Kopf und sah mich entschuldigend an. »Der Junge hat ein gutes Gedächtnis, aber keinerlei Manieren.«
»Ich würde das Gedicht trotzdem gerne hören«, sagte ich.
Der Alte zuckte mit den Schultern und ließ den Jungen los. Der Junge warf ihm einen bösen Blick zu und setzte noch einmal an:
Sieben Dinge, die verbieten
Durch die Lackless-Tür zu treten:
Eins ein Ring, der ungetragen,
Eins ein Wort, verwehrt zu sagen,
Eines eine Zeit, die recht,
Eins eine Kerze ohne Licht,
Eins ein Sohn, der bringt das Blut,
Eins ein Riegel vor der Flut,
Eins ein Ding, das fest verwahrt,
Dann kommt, was mit Schlaf sich paart.
»Eins dieser Rätselgedichte«, sagte der Vater entschuldigend. »Der Himmel weiß, wo er sie aufschnappt, aber eigentlich erzählt er sonst nicht gleich jede Schlüpfrigkeit herum.«
»Woher hast du es denn?«,
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