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Die Gabe der Amazonen

Die Gabe der Amazonen

Titel: Die Gabe der Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Kiesow
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fiel das Flackerlicht der Flammen. Da es nicht schwächer wurde, mußten die Amazonen kurz hinter der Biegung stehengeblieben sein. Sie schienen dort mit irgendeiner Arbeit beschäftigt. Wir hörten ein leises Knacken, Schurren und Schleifen, hin und wieder auch ihre Stimmen, ohne aber die Worte verstehen zu können.
    Der vergehende Lichtschein sagte uns: Sie hatten sich wieder in Bewegung gesetzt. Auch wir schlichen weiter. Hinter der Biegung endete der Gang vor einer eisernen Platte, einer Art Fallschott. Die Amazonen hatten es zur Hälfte hochgedrückt und in der seitlichen Führung festgekeilt, indem sie eine Dolchspitze zwischen Stein und Eisen getrieben hatten. Hinter der Platte führte eine in Stein gehauene Treppe steil nach unten. Aus der Tiefe flackerte das Fackellicht zu uns hinauf.
    »Da vorn geht es wieder nach oben.« Die Frauenstimme war klar zu verstehen gewesen. Beide Frauen mußten unmittelbar vor uns sein.
    Viburn schlüpfte als erster unter dem Schott hindurch, Mädchen folgte ihm, auch ich bückte mich, um den beiden nachzukriechen, die sich rasch wieder aufgerichtet hatten und bereits die Treppe hinabschlichen. An der Wand, gleich vor der Öffnung, war eine Art Griff befestigt, an dem ich mich festhielt, während ich mich unter der Eisenplatte hindurchschob. Kaum hatte ich den Bügel gepackt, da gab er nach, drehte sich wie eine Klinke.
    Von irgendwoher war ein ächzendes Schaben zu hören, dann Wasserrauschen. Ein mächtiges Gurgeln und Strömen, das immer lauter wurde und mir vom Fuß der Treppe entgegenscholl. Erschreckt krabbelte ich zurück. Fast im gleichen Augenblick, da ich den Griff berührte, spätestens beim ersten Wasserschwall, waren dort unten die Fackeln erloschen. Wieder umgab mich diese allgegenwärtige, lähmende Finsternis.
    Fußgetrappel auf der Treppe. Jemand stieß mich zu Boden, ehe ich ausweichen konnte, Füße trampelten über mich hinweg. Das mußten Viburn und Mädchen gewesen sein, sagte ich mir, rollte mich herum und tastete nach meinem Degen, während ich gleichzeitig versuchte, auf die Beine zu kommen. Und wieder Geräusche ganz in meiner Nähe. Ein kalter Hauch in der Luft, ein nasses Tuch klatschte mir ins Gesicht und wickelte sich um meinen rechten Arm. Mit der freien Linken griff ich blindlings zu, krallte mich in einem triefenden Haarschopf fest. Ein kalter Feuerbrand schnitt meine rechte Hüfte entlang. Ich zerrte an den nassen Haaren, ruderte mit dem Degenarm, um endlich das verdammte Tuch loszuwerden und nach Möglichkeit diesen fremden Körper zu treffen.
    Ein Arm prallte gegen mein Knie, ein Messer – ein Säbel, ein Dolch? – klirrte auf dem Steinboden.
    Fingernägel fuhren über mein Gesicht, bohrten sich ein in Wange, Stirn und Schläfe, rutschten zur Augenhöhle hin. Ich warf mich zurück, kam frei. An meinem Arm hing immer noch der nasse Stoff, endlich konnte ich ihn abstreifen.
    Die Schwärze ringsumher war erfüllt von Stöhnen, Reißen und Zerren. Mit dem Rücken prallte ich gegen eine Wand, offenbar war ich zurückgewichen, hatte es nicht einmal gemerkt. Bereit, mitten hinein ins Rabenschwarz zu stechen, hielt ich den Degengriff mit beiden Händen umklammert. Aber wenn ich Viburn ...? Oder gar Mädchen? Wahnsinn! Was wir hier trieben, war sinnlose Raserei.
    Unmittelbar vor mir hörte ich ein Geräusch. »Viburn?«
    Keine Antwort.
    Stich!
    Der Degen schrammte an Metall entlang, aufwärts, die Spitze drang in etwas Weiches ein ...
    Ein Laut wie ein tiefer verzweifelter Seufzer. Ein schwerer Sturz, begleitet von metallenem Scheppern. Ich bückte mich und fuhr mit fliegenden Händen über den Boden. Meine Finger stießen auf eine kalte Rüstung, wurden benetzt von heißem, sprudelndem Blut.
    Und immer noch das gräßliche, hilflose Seufzen.
    Endlich hörte es auf.
    Es wurde still in der Finsternis, aber von irgendwo her waren weiterhin schwere Atemstöße zu hören.
    »Viburn?«
    »Hm!«
    »Mädchen?«
    »...«
    »MÄDCHEN!«
    »Ja?«
    Mit dem Rücken zur Wand ließ ich mich auf den Boden sinken, zog meine zweite Fackel aus dem Gürtel und zündete sie an. Es dauerte unerträglich lange, bis endlich ein Licht aufflackerte, denn meine Hände zitterten so sehr, daß ich kaum den Zunderbeutel aufschnüren konnte.
    Das unstete Licht fiel auf Viburn und Mädchen, die rechts und links von dem eisernen Schott auf dem Boden kauerten, und auf die leblosen Körper der Kriegerinnen. Das Gesicht meiner Gegnerin war verzerrt und blutüberströmt, doch ich

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