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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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Somiss und riss hart genug an ihrem Haar, dass sie das
Gesicht verzog. »Schneid es ab«, befahl er. Er warf Franklin einen Blick zu.
»Sorg dafür, dass sie es tut.«
    Dann ließ er sie los
und raffte ihre und Franklins ferti ge Abschriften zusammen. Als er
die Tür zuschlug, schreck te Sadima zusammen, und ihr ganzer Körper versteifte
sich bei diesem Geräusch.

48
     
    ICH GING DAZU ÜBER, MICH SO WEIT WIE MÖGLICH VON FRANKLIN ENTFERNT ZU SETZEN,
SODASS SICH DER UN GLEICHMÄSSIGE
Halbkreis in ein schiefes Dreieck verwandelte. Beim ersten Mal starrte mich
Luke an. Vermutlich glaubte er, ich würde Gerrard nachahmen. Vielleicht tat ich
das auch.
    Franklin trug uns weiterhin auf, unsere
Gedanken herumzuschieben. Für mich war das inzwischen ganz leicht. So leicht,
dass ich anfing, die anderen zu beobachten. Will hatte große Mühe. Der Schmerz
dabei stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Levin wirkte entspannt, und
ich hoffte, das bedeutete, dass auch er immer besser darin wurde. Gerrards
Gesicht war undurchdringlich, aber ich hatte so viele Stunden damit zugebracht,
auf seinen Rücken zu starren, dass ich trotzdem einschätzen konnte, wie schwer
ihm die Übungen fielen. Er hielt den Kopf ein bisschen zu aufrecht, und sein
Rückgrat war ein wenig zu gerade durchgedrückt. Luke und Jordan schienen
gelöst, aber vielleicht taten sie auch nur so.
    »Schiebt eure Gedanken in eure Schultern«,
sagte Franklin. Und so drückte ich sie aus meinem Bauch empor und lauschte
ihnen nach, während sie durch mein Fleisch wanderten. Würde der nächste Test,
bei dem es um Leben und Tod ginge, damit zu tun haben, die Gedanken zu verschieben?
Ich wollte das so gerne glauben, dass ich spürte, wie mir die Tränen in die
Augen traten.
    Nach dem Unterricht auf halbem Weg zurück
in unser Zimmer hatte ich die Gesichter der übrigen Jungen erneut vor meinem
geistigen Auge, und ich begann zu rennen. Ich hatte fast den ganzen Weg zum
Speisesaal hinter mir, ehe ich darüber nachdachte, wohin ich eigentlich lief,
und stehen blieb. Hunger hatte ich keinen, auch wusste ich, dass ich
zurückgehen und lernen sollte. Gerrard las in diesen Büchern, als ob sein Leben
davon abhinge, und vielleicht hatte er genau damit recht. Vielleicht würden wir
abgefragt werden, und jeder, der versagte, dürfte nichts mehr essen. Oder
vielleicht würden die Wasserhähne für ihn nicht mehr funktionieren. Oder sein
Bett wäre voller Schlangen.
    Ich setzte mich wieder in Bewegung. Ich
würde etwas essen und dann lernen. Der Speisesaal war leer. Ich ließ zwei Laibe
frisches Brot erscheinen, einige Äpfel und ein Dutzend runder Käse.
    Dann verließ ich den Saal und trug alles
vor mir in meinem Umhang. Aber ich kehrte nicht in mein Zimmer zurück, sondern
schlug die entgegengesetzte Richtung ein. Würde man uns dafür bestrafen, wenn
wir auf eigene Faust herumliefen? Niemand hatte je ein Wort darüber verloren,
aber ich wusste, dass das nicht zählte. Sie konnten mit uns machen, was sie
wollten. Niemand würde davon erfahren, und meinen Vater würde es ohnehin nicht
im Geringsten interessieren.
    Ich bog ziellos um Ecken, merkte mir aber
den Weg. Das geschah inzwischen ganz
unwillkürlich, und ich hatte die Technik verfeinert. Konjunktionen zählten ebenso
wenig wie Präpositionen. Und ich hatte mir angewöhnt, Wörter mit l oder e für Abzweigungen nach links zu benutzen, und r - und i -Wörter,
wenn ich nach rechts abbog. P -Wörter
standen für Tunnel, durch die ich ging, ohne die Richtung zu ändern. Und
so lautete der Merksatz für meinen Weg: Lange Ewigkeiten rasen rasch und in richtig romantischem Prozedere
vorbei, prickelnd und riesig interessant.
    Nur einmal fragte ich mich kurz, was
geschehen würde, wenn Somiss mich fände. Das jagte mir so viel Angst ein, dass
ich meine Gedanken in die Füße hinunterschob. Diese Entfernung zu meinem Geist
half mir. Ich konnte die Grübeleien zwar noch hören, aber sie waren nicht mehr
so laut. Ich begann, im sechsten Atemmuster Luft zu holen, und lief immer
weiter.
    Je tiefer ich vordrang, umso weniger
Fackeln gab es. Ich kam an mindestens einigen hundert großen, leeren,
steinernen Räumen vorüber, die alle von einer einzigen Fackel mit kaltem Licht
erhellt wurden, und blieb nirgends stehen. Irgendwann wurde der Tunnel
schmaler. Ich bog wieder ab, dann noch einmal. Alle Tunnel wurden nun enger und
die Decken niedriger. Die Türen zu den Räumen, die ich passierte, wurden
ebenfalls kleiner. Ich stieß auf einen

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