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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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mir nicht eingebildet. Ich wurde nicht
verrückt. Und auch Gerrard hatte es mit der Angst zu tun bekommen, sonst hätte
er mir nicht gedankt. Wir hatten miteinander gesprochen, und Somiss war nicht
erschienen, um uns beide zu töten. Einen Augenblick später versuchte ich noch
einmal, Pfannkuchen entstehen zu lassen, und dieses Mal arbeitete der Stein wie
früher. Als ich zurück in unser Zimmer kam, lag das Geschichtsbuch wieder auf
meinem Bett. Ich starrte es an, und mein Magen verkrampfte sich. Aber dieses
Mal hob ich es auf und begann zu lesen.

47
     
    IST ER NOCH IN SEINEM ZIMMER?«, FLÜSTERTE
SADIMA, ALS SIE DIE TÜR AUFDRÜCKTE, DEN ARM VOLLER PÄCK CHEN vom Lebensmittelhändler. Franklin
nickte, dann schrieb er weiter ab. Er wirkte ganz normal. Also hatte Somiss
noch nichts dazu gesagt, dass sie auf dem Balkon gewesen war. Vielleicht war er
nur verstimmt, aber nicht wirklich zornig gewesen.
    Sadima trug die Vorräte in die Küche, dann
drehte sie sich wieder zu Franklin um und sah ihn dieses Mal richtig an. Sein
Hemd war schmutzig und voller Flecken von dunkler Erde. Hatte er die
Kohlenkiste geleert? Oder war er einfach in der Gosse ausgerutscht? Vielleicht
hatte ihn Somiss ja auch irgendein altes Gebäude putzen lassen, das zur Schule
gehören sollte, die er eröffnen wollte. Sie fragte nicht. Das war ihr Geheimnis .
    »War er überhaupt schon draußen?«, fragte
sie, nicht, weil es sie interessierte, sondern weil sie mit Franklin sprechen
wollte. Somiss trug ihm so viele Arbeiten auf, dass sie ihn kaum noch zu
Gesicht bekam.
    »Einmal kam er, um mir zu sagen, ich solle
sechs Abschriften von jeder Seite anfertigen und sie wie diese hier gestalten«,
sagte Franklin. Er legte die Fingerspitzen auf die unteren Ecken des Papiers
und drehte es um.
    Sadima blinzelte und
trat näher. Die verschnörkelten Zigeunersymbole waren mit blauer oder schwarzer Tinte
geschrieben, und in allen Wörtern fanden sich beide Farben.
    »Die Wörter in der alten Sprache sollen so
ähnlich ausgesprochen werden wie die, die wir die Leute haben aufsagen hören«,
sagte Franklin. Dann sah er Sadima an, bis sie nickte. »Wenn wir also die
besten Kopien unserer Lieder benutzen, können wir anfangen, die Buchstaben der
Zigeuner zu erlernen. Somiss hofft, auf diese Weise die Fehler in den Liedern,
die wir zusammengetragen haben, berichtigen zu können. Es müssen einfach
Verschleifungen aufgetreten sein, wenn sie von Generation zu Generation weitergegeben
wurden, ohne je aufgeschrieben worden zu sein.«
    Sadima nickte. »Also wird es doch nicht so
leicht, wie du gehofft hast. Aber warum diese beiden Farben?«
    Er gähnte. »Das ist kompliziert. Somiss
hält die Texte nicht für eine direkte Übersetzung. Er denkt, dass die Zauberer
selbst die Worte oder vielleicht die Schreibweise im Laufe der Zeit verändert
haben. Wer weiß, was die Zigeuner mit den Liedern gemacht haben? Somiss glaubt
nun, dass sie über Hunderte von Jahren immer wieder neue Abschriften
angefertigt haben, und zwar so wie du, ohne zu wissen, was sie da kopieren.«
    Sadima nahm ihr Schultertuch ab und setzte
sich Franklin gegenüber an den Tisch. Sie wünschte sich, sie könnte ihm die
Wahrheit erzählen, nämlich dass sie das Lesen gelernt hatte. Es sollte keine
Geheimnisse zwischen ihnen geben. Sie griff nach dem Dochtmesser und kümmerte
sich um die Lampe. Als diese wieder heller schien, lächelte Franklin sie an,
und sie bemerkte seine tief liegenden, rotgeränderten Augen. »Du brauchst Schlaf.
Isst du denn genug?«
    Er nickte. »Ich schon, aber Somiss nicht.
Er setzt alles daran, schnell vorwärtszukommen.« Franklin machte eine Pause,
dann beugte er sich vor und flüsterte: »Er ist überzeugt, dass sein Vater noch
einmal versuchen wird, ihn zu finden.«
    Sadima nickte müde
und stand auf. Somiss. Sein Va ter.
Sie ging in die Küche, wusch sich das Gesicht und die Hände, schob das
Rindfleisch, das sie gekauft hatte, in den Ofen und schürte das Feuer. Langsam
räumte sie auf und hielt sich so lange wie möglich vom Wohnzimmer fern. Dann
kehrte sie zurück und setzte sich wieder Franklin gegenüber. »Wie kann ich
helfen?«
    Er sah auf. »Ich habe meine Abschriften
fertig. Nun soll ich das hier machen.« Er reichte ihr ein Stück Papier.
    Sadima starrte darauf. Er hatte eine Liste
mit den Zigeuner-Symbolen angefertigt. Einige hatte er in Schwarz geschrieben, andere in Blau. »Was bedeuten die Far ben?«,
fragte sie.
    »Somiss hat die ersten Kopien
durchgearbeitet

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