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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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nur, dass du zusammen mit mir
fortgehst. Hast du darüber nachgedacht?«
    Er antwortete nicht. Sie setzte an, ihm
davon zu erzählen, dass sie alle Lieder kopiert hatte, und von ihrem Traum,
gemeinsam mit ihm eine Schule zu eröffnen, um tatsächlich zu tun, was Somiss
nur scheinbar anstrebte. Aber die Furcht in Franklins Augen hielt sie auf. Er
hatte solche Angst vor Somiss. Würde er ihm vielleicht sogar erzählen, was sie
getan hatte? »Wir könnten einen kleinen Hof kaufen«, sagte sie. Ihre Kehle war wie
zugeschnürt. »Wir könnten Kinder haben.« Einen Moment lang sah sie Freude in seinen
Augen aufleuchten, dann erlosch sie.
    »Er würde uns finden. Oder einer der
Wachleute. Ich gehöre seinem Vater, Sadima. Sie würden eine Belohnung
aussetzen.«
    »Dann gehen wir weit, weit weg. Nicht
zurück nach Ferne, und wir bleiben auch nicht hier in der Nähe.« Sie schlang
die Arme um ihn. Ganz eng beieinander standen sie
da, bis von der Straße her ein Ruf erklang. Sofort lö ste sich Franklin
und zog seinen Stuhl heran, bevor ihm klar wurde, aus welcher Richtung das Geräusch
gekommen war.
    »Das war nur ein Händler«, beruhigte ihn
Sadima.
    Er nickte, setzte sich aber dennoch hin
und griff nach seiner Feder. Einige Minuten sah Sadima ihm zu, hin und her
gerissen zwischen dem Wunsch, ihn noch einmal zu schlagen, und der Sehnsucht,
einfach ihre Sachen zu packen und noch an diesem Morgen fortzugehen. Doch sie
tat weder das eine noch das andere. Stattdessen ließ auch sie sich auf ihren
Stuhl sinken und beendete ihre Arbeit. Dann griff sie nach einigen von seinen
Blättern.
    »Nein«, sagte er und hielt sie ab. »Geh du
zum Marktplatz. Ich mache das hier fertig. Du solltest das überhaupt nicht
machen müssen.«
    Sadima wartete darauf, dass er den Kopf
hob und ihre Blicke einander trafen. Doch er regte sich nicht. Also holte sie
sich ihr Schultertuch und ging nach draußen. Lange Zeit schlenderte sie ziellos
herum. Als sie zurückkehrte, konnte sie Somiss hören, der laut in seinem Zimmer
las. Franklin war verschwunden. Solange sie konnte, blieb sie wach. Doch sie
hörte ihn nicht heimkommen.

56
     
    WIEDER KAM JUX NACH FRANKLINS STUNDE ZU
MIR. ICH FOLGTE IHM DIE STEILEN GÄNGE HOCH IN DIE Kammer
des Waldes. Die saubere Luft und die Sonne bemerkte ich diesmal kaum, solche
Angst hatte ich. Was würde statt der Schlange auf mich warten? Ein Bär?
    »Mach, dass sie davon ablassen«, wies Jux
mich mit ausgestrecktem Finger an.
    Diesmal war die Einfriedung größer. Ich
starrte auf die Unmenge von Ameisen auf dem Boden vor meinen Füßen. Sie
krabbelten um eine kleine Honiglache einen oder zwei Schritte von ihrem Hügel
entfernt.
    »Indem ich mit meinen Gedanken in sie
eindringe?«, fragte ich. Doch Jux ging bereits davon.
    »Wenn du es nicht kannst«, entgegnete er
über seine Schulter hinweg, »wird man dich verhungern lassen oder aufhängen.«
Er drehte den Kopf so weit, dass ich sein Grinsen sehen konnte. »Wahrscheinlich
wirst du verhungern.«
    Ich stand wie betäubt da, starrte ihm nach
und versuchte, mich daran zu erinnern, ob ich jemals einen Zauberer hatte
grinsen oder auch nur lächeln sehen. Mit ziemlicher Sicherheit mein ganzes
Leben nicht, und das machte mich nervös. Ob er einen Scherz gemacht hatte?
Ausgesehen hatte er, als mache er einen Scherz.
    Ich konzentrierte mich auf das erste
Atemmuster, um zur Ruhe zu kommen. Dann versuchte ich, dieses Mal vorsätzlich
zu tun, was mir bei der Schlange unbewusst gelungen war. Es funktionierte
nicht. Die Ameisen waren einfach zu klein, und jede einzelne von ihnen war
ständig in Bewegung. Es war unmöglich, meine Gedanken durch meine Zehen in
ihren Geist springen zu lassen – wenn sie überhaupt einen Geist hatten. Es
fühlte sich an, als würde ich auf eine verschlossene Tür einhämmern.
    Später lag ich auf dem Bauch und schob
ihnen langsam meine Hand entgegen, bis sie über meine Finger krabbelten, als
wären diese nur weitere Steine auf dem Weg zum Honig. Ich zwang mich, mich
erneut zu konzentrieren, und formte einen einfachen Gedanken: Lasst vom
Honig ab.
    Von meinem Kopf schickte ich ihn zu meinen
Schultern und dann in meinen rechten Handrücken, über den diese verfluchten
Ameisen hinwegkrabbelten. Ich spürte den Gedanken meine Haut verlassen und in
sie eindringen. Obwohl die ungefähr zwanzig Ameisen, die den Gedanken
empfingen, auch tatsächlich umdrehten und sich einen anderen Weg suchten,
folgte ihnen keine der übrigen. Langsam wurde mir heiß. Es

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