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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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komme am dritten wieder?«
    Rinka nickte.
    Nachdem sich Sadima voller Freude bedankt
hatte, machte sie sich auf den Heimweg. Es lief einfach gut! Inzwischen hatte
sie es geschafft, das ganze Buch der Zigeuner und viele der Lieder
abzuschreiben. In dem Honigtopf waren fast fünfunddreißig Münzen, und von nun
an würde sie Franklin helfen können, mit dem Kopieren aufzuholen. Und dazu noch
hatte sie einen freien Tag, um sich mit Franklin auf dem Marktplatz zu treffen.
Dort würden sie reden können.
    Er musste erfahren, dass sie das ganze
Zigeunerbuch und das meiste von dem, was sich auf Somiss’ Tisch befand, übertragen
hatte: Genug Material, so wollte sie ihn überzeugen, um eine kleine Schule irgendwo
auf dem Land zu eröffnen und den Kindern die Reime beizubringen. Er würde mit
ihr weggehen. Er musste . Wenn er es nicht tat, würde Somiss ihn eines
Tages umbringen, sei es durch zu viel Arbeit, mit seinen Fäusten oder durch das
ständige Hungern. Niemals würde sie es ertragen können, zu bleiben und tatenlos
zuzusehen.
    Auf dem Heimweg las sie aus Gewohnheit die
Schilder über den Geschäften, gab dem Bettlerjungen eine ganze Kupfermünze und
lächelte, als sie sah, wie seine Augen groß wurden. Dann kaufte sie beim Schlachter
einen Fasan und Gemüse bei dem Lebensmittelhändler, der eigens sein Geschäft an dem Tag noch einmal geöffnet hatte, als sie ihren
ersten Lohn erhalten hatte. Stets lächelte er, wenn er sie sah, und sie mochte
einfach seine ungewöhnliche Mütze.
    Zum Abendessen bereitete sie einen
Fasaneneintopf zu und ließ fette Mehlklößchen
in die kochende Brühe fal len. Als Franklin heimkam, war er todmüde und
schmutzig wie schon so lange jede Nacht. Sie gab ihm einen halbvollen Eimer
warmen Wassers und folgte ihm in sein Zimmer. Er schüttete das Wasser in seine
Waschschüssel, drehte sich dann aber noch einmal zur Tür um und bemerkte, dass
Sadima ihm nachgekommen war. Seine Züge verhärteten sich.
    Das Kinn vorgereckt, sagte sie sehr leise:
»Rinka braucht mich nicht mehr jeden Tag. Ihre Schwester ist zurück.«
    Rasch blickte Franklin an ihr vorbei, und
ihr wurde klar, dass er fürchtete, Somiss könnte aus seinem Raum kommen und sehen,
dass sie miteinander sprachen. »Ich möchte, dass wir uns morgen ein paar Stunden
Zeit nehmen, um spazieren zu gehen«, erklärte sie. »Sag einfach ja, und ich
gehe und koche das Abendessen zu Ende.«
    Mutlos ließ er die Schultern hängen. »Ich
kann nicht, Sadima«, flüsterte er. Dann legte er eine Pause ein. »Es geht
einfach nicht.«
    In seinen Augen lag so viel Schmerz, dass
sie nicht mehr tun konnte, als ihn wortlos anzustarren. Wie sehr sie sich
wünschte, seine Gedanken hören zu können. »Was ist los?«, flüsterte sie. »Wozu
zwingt er dich?«
    Als er erneut an ihr vorbeisah, beließ sie
es dabei, nickte ihm zu und ging. Einmal noch drehte sie sich um, doch er hatte
sich schon wieder der Schüssel zugewandt und zog eben sein Hemd aus. Lange rote
Kratzer zogen sich über seinen Rücken, als wäre er über das Pflaster geschleift
worden.

54
     
    NACH DER ERSTEN STUNDE BEI JUX MUSSTE ICH
MICH AUF DEM RÜCKWEG DEN STEILEN TUNNEL HINAB zweimal
ausruhen. Meine Beine zitterten. In den unteren Tunneln war es stickig und
stank schrecklich; es war, als betrete man einen schmutzigen Hundestall. Als
ich den Raum erreichte, war Gerrard nicht dort, und es roch auch nicht nach
Fisch, also war er wahrscheinlich im Speisesaal. Hungrig war ich ebenfalls,
doch auch erschöpft. Mit weichen Knien saß ich auf dem Rand meines Bettes und
erinnerte mich an die Gedanken der Schlange, an die langsame, kalte
Beschränktheit ihres Geistes. Es war real und keine Einbildung gewesen – ich
hatte Gedanken mit einer Schlange ausgetauscht.
    Als Jux mir die Tür geöffnet hatte, hatte
er kein Wort über das Erbrochene oder irgendetwas sonst verloren.
    Reglos saß ich nun da und ließ zu, dass in
meinem Herzen die Hoffnung keimte, ich könnte derjenige sein, der den Abschluss
machen würde. Ohne es zu wollen, verfiel ich in jenen Tagtraum, in dem ich zu
meinem Vater nach Hause zurückkehrte.
    Abrupt erhob ich mich, um meinen
Grübeleien ein Ende zu machen. Dann beugte ich mich vor, nahm das
Geschichtsbuch vom Tisch und suchte die Stelle, an der ich aufgehört hatte zu lesen. Das nächste Kapitel handel te nicht
vom Gründer. Es ging um die Lieder, die von den Magiern des Ersten Zeitalters
der Magie überliefert worden waren, indem sie die Worte ihrer magischen

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