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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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versuchte, ausnahmsweise einmal an gar nichts
zu denken. Als ich schließlich in unseren Raum zurückkehrte, saß Gerrard noch
immer da, die Beine gekreuzt, und übte das vierte Muster. Sein Geschichtsbuch
lag offen neben ihm – mehr als die Hälfte hatte er schon geschafft. Er sagte
nichts, also schwieg auch ich. Ich legte mich hin und versuchte, noch etwas zu
lesen. Aber die Augen fielen mir immer wieder zu. Schließlich ergab ich mich
dem Schlaf.
    Meine Träume waren voller hungriger
Jungen, die hinter mir herschlurften, als ich mich abmühte, sie einen steilen
Tunnel hinaufzuführen. Ich zog an ihnen, zerrte an ihren Umhängen, weinte und
schob sie vor mir her. Aber der Tunnel wollte nicht enden. Aufwärts und immer
weiter aufwärts ging es, bis ich, bedeckt von kaltem Schweiß, erwachte. Mein
Herz raste. Es war dunkel. Gerrard schlief; ich konnte sein leises Schnarchen
hören. Dann pochte ein Zauberer gegen die Tür.

55
     
    WIE IMMER ERWACHTE SADIMA IM MORGENGRAUEN.
SIE ENTZÜNDETE IHRE LATERNE UND SCHÜRTE DIE Glut. Dann
begann sie mit dem Abschreiben. Als Franklin aufstand, hatte sie bereits mehr
als die Hälfte ihrer Arbeit für den Tag erledigt. Lächelnd schüttelte dieser
den Kopf und ging in die Küche. Nur Minuten später roch Sadima den warmen Duft
von Kartoffeln, die in Fett gebraten wurden. Sie sah auf, und Franklin lehnte
neben dem Türbogen an der Wand und beobachtete sie.
    »Wenn ich ebenso gut wäre wie du, wären
wir jeden Tag bis zum Mittag fertig.« Er schüttelte den Kopf. »Ich werde es
versuchen.«
    Sadima lächelte ihn an. Sie konnte nicht
aussprechen, was ihr auf dem Herzen lag, nicht mit Somiss am anderen Ende des
Flurs. »Ich muss mit dir reden«, flüsterte sie.
    Er ließ die Schultern hängen, hob aber den
Kopf. »In Ordnung.«
    Ihr Herz tat einen Sprung. »Wann?«
    »Somiss wird später weggehen, um mit
irgendwem zu sprechen«, sagte er sehr leise.
    Sie nickte. Danach schwiegen sie beide,
während sie aßen, aufräumten und sich wieder
daranmachten, die Sei ten zu kopieren, die Somiss ihnen hingelegt hatte.
Sadima schob ihre fertigen Abschriften unter diejenigen, welche noch erledigt
werden mussten. Sie bemerkte, wie Franklin sie nachdenklich musterte, und wusste,
dass er verstanden hatte. Es gab keinen Grund, Somiss einen Grund zu liefern, ihnen
noch weitere Arbeit zuzuteilen. Denn genau das würde er tun, sollte er feststellen,
dass sie schon fast fertig waren, wenn er aufstand.
    Nachdem Somiss angezogen und verschwunden
war – auf dem Kopf einen Hut, den er tief in die Stirn gezogen hatte –, erhob
sich Sadima und öffnete die Balkontür gerade weit genug, um hinausspähen zu können.
Sie sah, wie Somiss sich nach links hielt und in die Carver Street einbog. Wenn
er in dieser Richtung weiterging, würde er zum Hafen gelangen.
    »Weißt du, wohin er geht?«, fragte sie
Franklin, als sie wieder in die Wohnung zurückkam. »Und bitte, lüg mich nicht
an.«
    Er senkte den Blick zu Boden, dann schaute
er sie wieder an. »Ich weiß es. Aber ich kann es dir nicht sagen.«
    Sadima stöhnte. »Du musst!«
    Kopfschüttelnd erwiderte er: »Somiss sagte
…«
    »Erzähl mir nicht, was er gesagt hat. Ich
habe dich gefragt«, sagte Sadima schnippisch. Und dann schlug sie ihm
ins Gesicht.
    Aber statt sie abzuwehren, zuckte Franklin
nur zusammen und drehte sich weg. Ihre Brust bebte, als sie zurücktrat. Sie
wusste, warum er sich so verhielt. Er war es gewohnt. Sein Leben lang hatte er
gelernt, nicht zornig zu werden, wenn ihn jemand anschrie oder schlug. Sie
spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
    »Erzähl es mir«, sagte sie und senkte ihre
Stimme zu einem Flüstern. »Wenn ich dir irgendetwas bedeute, musst du mir
verraten, wo er hingeht und was er vorhat.«
    Nun begann auch er zu weinen, brach jedoch
sein Schweigen nicht.
    »Hat das alles mit der Schule zu tun?«,
fragte sie nicht länger im Flüsterton, sondern mit normaler Stimme, während er
versuchte, ihrem Blick auszuweichen. »Bitte. Franklin?«
    Er schaute ihr in die Augen. »Wenn ich es
dir sage, wird er dir wehtun.«
    Sie rückte näher an ihn heran. »Mir hat er
gesagt, es würde dir leidtun, wenn ich fortginge. Er würde persönlich dafür
sorgen. Siehst du nicht, was er tut?«
    Franklin nickte.
»Natürlich. Aber du solltest wegge hen, Sadima. Geh zurück nach Ferne. Ich bereue es so sehr, dass
ich dich jemals bat, hierherzukommen.«
    »Ich werde dich nicht verlassen«,
erwiderte sie mit sanfter Stimme. »Ich will

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