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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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Es war eine Malek-Kreuzung,
eine wohldurchdachte Züchtung aus drei alten Rassen. Sie waren klein, gut
auszubilden und hatten keine Höhenangst. Die Malek-Höfe hatten einen sehr
fähigen Stallmeister – meinen Vater. Er verkaufte die Fohlen der Malek-Kreuzung
und machte damit, wie er es nannte, lausige Gewinne. Nicht jedoch die sehr
seltenen weißen Fohlen. Diese behielt er für sich. Er besaß jetzt diesen
Zuchthengst, eine Stute und ein kaum entwöhntes Stutenfohlen. In zehn Jahren
würde er eine Herde von kleinen, anmutigen Ponys sein Eigen nennen.
    Der Hengst war selbstverständlich
makellos, seine dunklen Hufe hatte man mit Bienenwachs eingerieben. Er wurde
niemals mehr schmutzig. Schon seit drei Jahren hatte kein Regenwasser mehr sein Fell berührt. Sein Na cken war
gebogen, und er warf seine Mähne zurück. Aber seine Augen waren milchig – tot.
Das geschah immer im Laufe der Ausbildung.
    Gabardino zog an den Zügeln, sodass das
Pony stehen blieb, dann sprang er hinunter, um meiner Mutter zu helfen. Ihre
perlenbesetzten Pantoffeln berührten kaum das Trittbrett. Auf dem polierten
Holz raschelte ihr Seidenkleid. Vater stieg hinter ihr ein und stieß einen
ungeduldigen Laut aus, als sie sich einen Moment Zeit ließ, um den bauschenden
Stoff ihres Rockes zu glätten. Ich saß auf der hinteren Bank, gegenüber von meinen Eltern, und versuchte, gegen die
aufsteigende Furcht anzukämpfen. Mein Vater hatte sehr deutlich gemacht, dass
ich keine Wahl hatte. Ich blickte nach
Norden zur Küste, die an diesem Morgen silbergrau wirkte und der matten Farbe
eines Salonspiegels glich, ehe die Lichter entzündet werden.
    Mit einem Frösteln sah ich zu Gabardino
hinunter. Er löste die Zügel von der silbernen Querstange und hielt sie locker
in der Hand, sodass das Pony freien Lauf hatte. Die Kutsche begann zu rollen.
Der kleine Hengst trottete los, wurde dann schneller, und sein milchweißer
Schweif wehte hinter ihm her. Schließlich, auf ein Kommando von Gabardino hin,
machte das Pony einen Satz und zog die Kutsche in die Luft.
    »Hahp«, sagte mein Vater. »Sitz aufrecht.«
    Ich drückte mein Rückgrat durch und biss
mir auf die Unterlippe, denn so spürte ich, wie mich der Schmerz in der
Wirklichkeit verankerte. Ich wollte nicht in die Akademie eintreten. Aber was
ich wollte, wovor ich Angst hatte, interessierte meinen Vater keinen
Pfifferling, und das war noch nie anders gewesen.
    »Sitz endlich gerade«, wiederholte er.
Meine Mutter machte eine kleine, protestierende Geste und setzte an, etwas zu
erwidern. Er jedoch hob eine Hand, und sie senkte ihren Kopf wieder.
    In diesem Augenblick hasste ich ihn mehr
als je zuvor.

3
     
    MEINE MUTTER BRAUCHT
HILFE«, KEUCHTE MICAH. »SIE
LIEGT IN DEN WEHEN.«
    Die Magierin beugte sich noch näher an
sein Ohr. »Sechs Silberstücke.« Dann tätschelte sie ihm mit ihrer knochigen
Hand den Kopf, richtete sich wieder auf und lächelte in die Runde der
umstehenden Menschen.
    Micah starrte sie an. »Fünf«, flüsterte er
zurück.
    Die alte Frau schüttelte den Kopf, und
diese kaum wahrnehmbare Bewegung war nur für ihn bestimmt. Noch immer lächelte
sie. Ihre Zähne waren lang und gelb. Micah konnte sie riechen. Ihr Umhang war
steif vom Schweiß und Dreck der Straße.
    Er spürte ein Brennen in den Augen, aber
er wollte nicht weinen. »Fünf Silberstücke
ist alles, was wir haben.«
    Sie sah zu ihm hinunter, legte den Kopf
schräg und sagte dann in die Menge: »Ich werde gerufen. Eine Frau braucht meine
Hilfe. Wer also etwas kaufen will, muss sich beeilen …«
    »Micah?«
    Er drehte sich um.
    »Micah, was gibt es denn?« Mattie Hans
pausbäckiges Gesicht war gerötet, sie hatte sich durch die gaffende Menge
drängen müssen.
    »Meine Mutter«, setzte er heiser an. Dann
schnürte es ihm die Kehle zu, und er brachte kein weiteres Wort mehr hervor.
    Mattie packte ihn an den Schultern und
beugte sich vor, um ihm ins Gesicht zu schauen: »Was ist denn los? Ist es das
Baby?«
    Micah nickte.
    Mattie drehte sich zu
den anderen um. »Verschwindet!« Ihre großen Hände waren zu Fäusten geballt. »Los! Weg mit euch!« Und sie begann
damit, die großen Packkörbe der Magierin auf den Wagen zu laden. Die Flaschen
klirrten, und die alte Frau runzelte die Stirn. »Seien Sie gefälligst
vorsichtig damit!«
    Matties Augen funkelten. »Die Mutter
dieses Jungen ist meine Freundin. Wenn Sie sie verletzen, dann bekommen Sie es
mit mir zu tun.« Sie hob den nächsten Korb
auf den Wagen. »Sie sollten

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