Die Gabe der Magie
war,
schob er den Stuhl zurück und erhob sich wortlos. Im Vorbeigehen berührte er
Sadimas Wange. Seine Fingerspitzen waren so kalt, dass sie zusammenzuckte, aber
er war schon weitergegangen und bemerkte es nicht. Sie drehte sich um und sah,
dass Franklin sie beobachtete. »Ich glaube, er mochte das Essen«, sagte sie.
Franklin nickte. »Ja, das stimmt. Ich habe
ihm gesagt, dass ich zweimal so viel abschreiben könnte wie vorher, weil du so
viele Aufgaben übernimmst. Das gefällt ihm. Und er scheint dich zu mögen .«
Und du?, wollte Sadima fragen. Magst du mich
auch?
Doch stattdessen trug sie die Teller in
die Küche und begann abzuwaschen.
Als sie die Decken in dieser Nacht auf dem
Fußboden ausbreitete, legte sie sie doppelt, um eine dickere Unterlage zu
haben, und lächelte. Kochen und Putzen waren so vertraut für sie wie alte
Freunde. Somiss aus dem Weg zu gehen war auch nicht anders, als die Gegenwart
ihres Vaters zu meiden. Franklin war gütig und freundlich, und sie würde oft
auf den Markt gehen. Und Maude hatte ihr wie einer Freundin zugewinkt.
Sadima schlief ein, und das Lächeln blieb
auf ihrem Gesicht.
20
ES WAR DIE FÜNFTE – ODER SECHSTE –
UNTERRICHTSSTUNDE, UND FRANKLIN ERWARTETE UNS NICHT. Wir alle standen schweigend dort und waren ganz benebelt vor Hunger.
Gerrard drückte sich vor dem Durchgang herum und hielt sich abseits von uns anderen. Levin drängte sich so
dicht ne ben mich, dass ich seinen
Schweiß riechen konnte. Wir stan ken alle. Es war unmöglich, sich richtig
zu waschen, da es keine Seife gab und man sich über die kleinen Becken beugen
musste, und auch unsere Umhänge wurden nicht gesäubert.
»Hast du irgendetwas gegessen?«, flüsterte
Levin, ohne seine Lippen zu bewegen. Ich schüttelte den Kopf und versuchte
dabei wie er, die Geste vor den anderen zu verbergen. Das hatten wir inzwischen
alle gelernt.
Hinter mir hörte ich
ein Flüstern, aber es brach mit ei nem Mal ab, gerade als ich sah, wie sich etwas im Schatten regte.
Sofort trat Levin einen Schritt von mir
weg. Ich drehte ihm meinen Rücken zu und starrte ins Leere. Niemand machte mehr
irgendein Geräusch. Wir alle hatten Angst. Warum wurden wir beobachtet?
Kalter Schweiß sammelte sich auf meiner
Stirn. Ich versuchte, meine Gedanken zu beruhigen und so zu atmen, wie Franklin es uns beigebracht hatte. Es klappte nicht. Dann schob
ich einen Finger in den Halsausschnitt meines Umhangs, um den rauen Stoff von
meiner Haut zu lösen, und musste einen Rückwärtsschritt machen, um nicht das
Gleichgewicht zu verlieren. Mir war schwindelig vor Hunger. Ich straffte die
Schultern und glaubte, im Schatten eine weitere Bewegung auszumachen. Ich blinzelte,
rieb meine Augen und starrte ins Dunkel. Drei oder vier der anderen drehten
sich um. Die übrigen wurden aufmerksam und wandten sich ebenfalls um. Die
Fackeln waren in diesem Raum hoch an den Wänden befestigt, und die Schatten
waren tief Aber während wir unsere Augen anstrengten, veränderte sich die
Finsternis und wurde zu einem Zauberer. Dann verschwand er.
»Folgt mir«, knurrte er heiser hinter uns.
Es herrschte vollkommenes Schweigen, dann
Füßescharren, als alle sich umdrehten. Ich hörte einen von Levins
Zimmergenossen fluchen, einen Augenblick, bevor der Zauberer ins Licht trat.
Seine weiße Haut und die eisigen Augen bildeten einen starken Kontrast zu seinem
schwarzen Umhang. In einer Zickzacklinie lief er durch unsere Reihen, als wären
wir Unkraut in einem Garten, durch das er sich seinen Weg bahnen musste, dann
lief er geradewegs aus dem Raum.
Gerrard machte auf den Hacken kehrt und
rannte ihm hinterher. Der Rest von uns folgte hastig, bis wir sie eingeholt
hatten, dann wurden wir langsamer. Aus alter Gewohnheit bildeten die meisten
Jungen eine Reihe und landeten neben ihren Zimmerkameraden.
»Jordan?«, hörte ich Levin flüstern, und
ich sah, wie er den Arm ausstreckte, um einen großen, dünnen Jungen mit dunklen Augen und glattem, braunem Haar zu
stüt zen, der gestolpert war. Jordan. Ein Name. Ich hatte einen
Namen erfahren.
Wir bogen rechts ab, dann links, dann
wieder rechts und nahmen schließlich eine Reihe von raschen Abzweigungen,
sodass ich den Faden verlor und mich nur noch an die ersten vier erinnern
konnte. Am Ende liefen wir so lange geradeaus, dass meine Beine zittrig wurden.
Endlich blieb der Zauberer stehen. Mit höhnischem Schnauben machte er eine
übertriebene Geste wie ein Hausdiener, der die Gäste zu einem förmlichen
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