Die Gabe der Magie
zurückgezerrt.
Ich konnte meine Augen nicht vom Essen
abwenden.
»Wir sollten uns abwechseln«, schrie der
blonde Junge noch einmal.
Einen Moment lang sah ich allgemeines
Nicken, dann hörte ich jemanden seine Zustimmung rufen. Aber plötzlich trat
Gerrard nach vorne und beugte sich über das Tablett. Sein Umhang hing wie ein
Vorhang zwischen den Nahrungsmitteln und dem Rest von uns. Schreie erhoben sich
und wurden von den Steinmauern zurückgeworfen; nun lagen Zorn und Verzweiflung
in den Stimmen. Rufe prallten von den Steinen ab, und jeder verlangte, dass
Gerrard warten solle, bis man sich auf eine Reihenfolge geeinigt habe.
Gerrard schenkte ihnen keinerlei
Beachtung, und so machte der blonde Junge einen Schritt auf ihn zu und
versetzte ihm einen ungeschickten Schwinger. Gerrards ganzer Körper wurde
zurückgeschleudert, als der Hieb auf seinen Rippen landete. Er richtete sich
auf, wirbelte herum und hielt mit der linken Hand den Umhang weg. Sein rechter
Fuß trat schnell, hart und niedrig zu. Der blonde Junge krümmte sich, dann
brach er zusammen. Die Schreie ringsum wurden lauter, und ich sah den Umstehenden
in die Gesichter. Sie machten den Eindruck, als wollten sie ihn töten. Aber
Gerrard beugte sich schon wieder über das Tablett.
Der blonde Junge lag zusammengekauert auf
dem Boden. Andere machten einen Schritt über ihn hinweg, um zu Gerrard zu
gelangen. Aber bevor dies jemandem gelang, wich er mit einem Mal zurück. Jordan
versuchte, ihm einen Schlag zu versetzen, verfehlte ihn aber, da sich Gerrard
blitzschnell duckte. Jordan verlor das Gleichgewicht, und der Schwung seiner
eigenen wütenden Faust riss ihn zu Boden. Ich wurde zur Seite gestoßen, und ein
weiterer Faustkampf entbrannte so nahe neben mir, dass Blut mein Gesicht und
meinen Umhang bespritzte. Ich duckte mich ebenfalls und versuchte, mich
zurückzuziehen.
Ich hatte mich vorgebeugt, um mein Gesicht
zu schützen, als ich plötzlich eine Pflaume über den Boden auf mich zurollen
sah. Ich griff danach, doch sie fing an zu funkeln und war verschwunden. »Lasst
nichts fallen!«, schrie ich und richtete mich auf. »Lasst nichts davon fallen!«
Aber der Kampf hatte sich längst ausgeweitet, und niemand hörte mich.
Hektisch drängte ich mich zwischen den
Rangelnden hindurch und stieß zwei Jungen beiseite. In den wenigen Sekunden, die mir blieben, ehe auch ich wieder fortgezogen wurde,
gelang es mir, ein Stück Käse in der Größe meiner Faust zu greifen, einen Laib
Brot, den ich mir unter einen Arm klemmte, und zwei Orangen. Jemand rammte mir
den Ellbogen in den Magen. Ich stürzte, ließ jedoch das Essen nicht los. Stattdessen
rollte ich mich auf den Rücken, sodass es nicht den Boden berührte.
Zitternd gelang es mir, zurückzukriechen
und mich aus den Kämpfen zu lösen, und da sah ich Gerrard neben der Tür. Er
fing meinen Blick auf, dann drehte er sich um. Taumelnd erhob ich mich und
wollte ihm folgen. Ein entsetzter, gequälter Schrei ließ mich ungeschickt
wieder stehen bleiben, und ich schaute mich um. Jemand hatte das Tablett zu
Boden gerissen, und nun funkelte es. Einen Moment lang schienen die Nahrungsmittel
zu glühen, dann war alles verschwunden. Ich hastete auf den Flur.
Gerrard rannte nicht, sondern lief nur
sehr schnell. Ich folgte ihm und blieb ihm so nahe wie möglich auf den Fersen.
Seine Schritte waren langsamer als gewöhnlich, und er lief breitbeinig. Als ich
nahe genug an ihn herangekommen war, sah ich, warum. Er hatte das Vorderteil
seines Umhangs in einen behelfsmäßigen Sack verwandelt. Ich blinzelte. Warum
nur war mir das nicht auch eingefallen?
Als wir uns wieder in dem langen, geraden
Gang befanden, nahm er eine Abbiegung, und ich folgte ihm. Dann bog er erneut
um eine Ecke, ohne auch nur einen Augenblick
zu zögern. Ein kleiner Junge aus einer Grup pe, die ich überhaupt nicht
kannte, schrie uns etwas hinterher. Ich blieb stehen. Gerrard nicht.
»Sie kämpfen alle noch immer«, berichtete
der Junge, als er aufgeschlossen hatte. Ein oder zwei Schritte lang blieb er
neben mir, dann machte er einen Satz und packte Gerrard am Ärmel. »Du hast mehr
als alle anderen. Ich konnte gar nichts mitnehmen.«
Gerrard befreite sich aus dem Griff und
lief weiter. Der Junge begann zu weinen; sein Gesicht war gerötet. Er war
kleiner als wir übrigen. War er auch jünger? Ich gab ihm eine meiner Orangen,
und er wischte sich über die Augen und dankte mir ein ums andere Mal. Dann sah
er mich an und sagte: »Ich will nicht
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