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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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streckte ich blind die Hände aus
und presste sie auf die Oberfläche des riesigen Steins. Sie war eiskalt. Es gab
einen Lichtblitz, das seltsame Geräusch, und dann lag das kleine Pferd dort vor
mir auf dem Podest aus dunklem Stein. Ich starrte es an, mein Mund öffnete
sich, und ich hörte einen Lärm, den ich schließlich erkannte.
    Die anderen jubelten.
    Ich drehte mich zu Franklin um.
    Er war nicht mehr da.
     

27
     
    SADIMA HATTE DEN GROSSTEIL DES MORGENS
DAMIT VERBRACHT, SICH ÜBER DIE DICHT BEVÖLKERTEN GEH WEGE im Nordteil von Limori zu schieben.
Sie hatte die raue Wirklichkeit kennen gelernt: Es gab so viele hungrige Kinder
auf den Straßen, dass die Ladenbesitzer häufig eine kleine Mahlzeit gegen einen
Morgen lang Fegen oder Tragdienste aushandelten. Viele der Kinder bettelten sie
an, als sie vorüberging, streckten ihr ihre schmutzigen Hände entgegen und
flehten in merkwürdigem Singsang: »Bitte, meine Dame, bitte, meine Dame, bitte,
meine Dame.«
    Sadima seufzte und wünschte, sie hätte
mehr Geld, das sie teilen könnte. Sie wünschte auch, sie hätte genug Geld, um
Essen für sich selbst, für Franklin und auch für Somiss zu kaufen. Sie hatten
in den letzten acht Tagen kaum etwas gegessen, außer klebrigen Brei und dünne
Suppen. Irgendeine Anstellung musste her. Aber warum sollte ihr ein
Ladenbesitzer eine Arbeit geben, wenn es Hunderte von Kindern gab, die für
weniger arbeiten würden und deren Flehen so ergreifend war? Auch Franklin hatte
noch nichts gefunden.
    Somiss war beinahe die ganze Zeit über
verbittert. Es schien, als könne er nicht verstehen, was es eigentlich hieß,
kein Geld zu haben. Franklin hatte es ihr erklärt. In seinem ganzen Leben war
Somiss noch keine Viertelstunde lang hungrig gewesen.
    Müde und mit knurrendem Magen überlegte
Sadima, wie weit sie noch laufen sollte. Sie bog um eine Ecke und blieb abrupt
stehen. Die Menschen hinter ihr drängten sich an ihr vorbei. Sie hörte die
Stimme eines Mannes, leise und verärgert, aber sie antwortete nicht. Zwanzig
Schritte vor ihr endete die Straße – am Meer. Hinter den befestigten Kaimauern
lag das endlose, blaue Meer und erstreckte sich bis zum Horizont. Die
festgemachten Schiffe waren wunderschön, größer als das Haus, in dem sie
geboren worden war, das dunkle Holz am Bug verwittert und in hundert
Schattierungen von Erdbraun. Weit dahinter überschlugen sich riesige, wogende
Wassermassen, auf denen weiße Schaumkronen leuchteten. Wellen. In einer der Geschichten, die Micah ihr erzählt
hatte, hat te es Wellen gegeben. Und nun stand sie hier und starrte aufs
Meer.
    Als sie ein zweites Mal gegen die Schulter
gerempelt wurde, erinnerte sich Sadima daran, dass sie mitten auf einem
belebten Gehweg stehen geblieben war. Sie setzte sich wieder in Bewegung. Nur
mit großer Mühe riss sie schließlich den Blick vom Wasser und richtete ihn
wieder auf die Auslagen der Geschäfte. Sie schaute sich die Schilder an und
erinnerte sich an das, was Franklin ihr erklärt hatte.
    Sechs oder sieben der
Schilder in diesem Block zeig ten
nur Buchstaben. Das bedeutete, dass sie die Mitglieder des Königshauses und
wohlhabende Händler belieferten, die oft ihre Freunde waren. Auf den meisten
Tafeln gab es Schrift und Bilder, die zeigten, was es im Laden zu kaufen gab.
Einige hatten nur Bilder, und diese wiesen darauf hin, dass sie billigere
Waren, dunkleres, gröber geschrotetes Brot, zähes, sehniges Fleisch und strohverklebte
Eier verkauften.
    Sadima entdeckte das Schild eines
Käsehändlers und steuerte darauf zu. Die Ladentür war schwer, und Silberglöckchen
klingelten, als sie sie öffnete. Sofort reagierte ihr leerer Magen auf den
Geruch des frischen Käses. Die Frau im Innern trug eine eng anliegende Kappe
auf dem Kopf, die mit Blumen und Weinreben bestickt war. Strähnen von grauem
Haar lugten hinter ihren Ohren und unter der Kopfbedeckung hervor. »Könnte ich
fegen oder sonst irgendwelche Arbeiten erledigen?«, fragte Sadima.
    Sie schüttelte den Kopf. »Dafür stelle ich die Waisenkinder an.« Sie
sprach mit einer seltsamen Melodie in der Stimme. Sie musterte Sadima von oben
bis unten, dann legte sie den Kopf schief. »Ein Bauernmädchen? Weißt du, wie
man Käse macht?«
    Sadima lächelte und spürte Hoffnung in
sich aufsteigen. »Ja, weiß ich.« Dann trat sie unruhig von einem Fuß auf den
anderen, während die Frau sie zum zweiten Mal von Kopf bis Fuß betrachtete.
Sadima wusste, dass ihr Kleid fadenscheinig und aus grobem

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