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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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bewegte er sich steifbeinig in ihre
Richtung. Sadima nickte ihm kurz und kaum
merklich zu, dann tat sie so, als würde sie ihm kei ne Beachtung
schenken, und lief einen halben Häuserblock weiter. Er folgte ihr, die Hand
ausgestreckt, und wiederholte unermüdlich seine Bettlerlitanei. Sadima lief
scheinbar ungerührt weiter, durchsuchte jedoch ihre Taschen, bis sie eine halbe
Kupfermünze fand, die sie dem Jungen in die
Hand drückte. In Sekundenbruchteilen hat te dieser seine Handfläche
schräg gelegt, damit die Münze in die andere Hand gleiten konnte, welche er
tiefer und eng am Bauch hielt. Seine rechte Hand war weiterhin steif ausgestreckt,
und er fuhr mit seinem flehenden Singsang fort, während die linke Hand die
Münze in die Hosentasche schob. Dann zwinkerte er und verfolgte Sadima bettelnd
einen weiteren Block lang. Schließlich tat sie so, als würde sie ihn
wegscheuchen, und schaute ihn mit finsterer Miene an, während er zwinkerte,
sich dann umdrehte und mit schlurfenden Schritten und einem in gespielter
Enttäuschung verzogenen Gesicht trollte. Er war sehr überzeugend und sehr
schlau. Einmal hatte Franklin Sadima erklärt, dass die älteren Kinder die kleineren
beobachteten, um zu sehen, ob sie etwas ergatterten, und so hatte Sadima
gelernt, ihre Rolle zu spielen.
    Sie beschleunigte ihren Schritt und
kämpfte gegen den Impuls an, sich noch einmal nach dem Bettlerjungen, den sie
zurückließ, umzudrehen. Stattdessen bog sie in eine Straße ein, die sie nicht
kannte. Jeden Tag nahm sie einen anderen Weg nach Hause und drang so immer
tiefer in das Ladenviertel des North Ends ein, ehe sie sich auf den Weg zurück
zum Marktplatz machte.
    Die Schilder mit Schrift darauf boten ihr
eine Übungsmöglichkeit. Einige von ihnen konnte sie bereits lesen, und jeden
Tag prägte sie sich ein neues ein, das sie noch nicht entziffern konnte, und
notierte die Buchstaben, kaum dass sie zu Hause war.
    Wenn Somiss und Franklin sich für die
Nacht in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, dann benutzte sie ihre Abschrift des
Liedes für ein langes Leben, um herauszufinden, welcher Laut mit welchem Buchstaben
verknüpft war.
    Einige Worte hatte sie auf diese Weise
einfach nicht entschlüsseln können, die meisten aber schon.
    Sadima warf einen Blick auf die Schilder
auf der anderen Seite der Straße. Dort gab es eines mit kleineren Buchstaben
und mehr Wörtern als gewöhnlich. Sadima suchte sich einen Weg zwischen zwei Händlerwagen
hindurch. Der zweite Kutscher grinste sie an und stieß ein leises Pfeifen
zwischen den Zähnen hindurch aus. Sie beachtete ihn überhaupt nicht, sondern
starrte auf das Schild. Als sie sich die Buchstaben eingeprägt hatte, warf sie
einen Blick durch die halb geöffnete Tür.
    Es war ein Geschäft für die Wohlhabenden,
daran bestand gar kein Zweifel. Es gab keine Regale, auf denen sich grobe
Tuniken und Hosen stapelten, keine Tonnen mit handgemachter Seife oder Berge
von alter Kleidung, die für einen halben Penny verkauft wurden. Hier gab es nur
einen schweren Tisch aus dunklem Holz mit Süßigkeiten und Tee darauf und einige
Stühle aus gewundener Bronze. Die Waren mussten sehr wertvoll sein, wenn man
sie in irgendeinem Hinterzimmer wegschloss. Sie würde nicht erfahren, was man
hier verkaufte, bis sie die Laute herausgefunden hatte, die zu den Buchstaben
auf dem Schild gehörten, wenn es ihr denn überhaupt gelänge.
    Die Sonne stand tief am Himmel, als Sadima
ihren Weg fortsetzte. Sie überquerte eine enge Straße, bog dann um die Ecke und
beschleunigte den Schritt. Ein- oder zweimal
verließ sie den Bürgersteig, um eine Trau be von Menschen zu umrunden,
die wohl Freunde getroffen hatten und stehen geblieben waren, um zu plaudern.
    Auf halber Strecke nach Hause begann sie
mit einer Idee zu ringen. An diesem Abend befanden sich sieben Münzen in ihrer
Tasche. Der Verkauf lief immer besser, hatte Rinka gesagt. Die Leute mochten
den doppelt gekochten Käse. Somiss und Franklin erwarteten, dass sie mit fünf
Münzen zurückkehrte.
    Als Sadima bemerkte, dass sie sehr weit
nach Norden gelaufen und deshalb auf der falschen Seite des Marktplatzes
angelangt war, dämmerte es bereits und wurde kalt. Sie entdeckte Franklin, der
noch immer an seinem kleinen Tisch unter Maudes Baldachin saß. Im schwindenden
Licht konnte sie eine Frau ausmachen, die ihm gegenüber Platz genommen hatte.
Er hielt ihre Hand mit der Innenfläche nach oben.
    Sadima fixierte ihn mit dem Blick und
konzentrierte ihre Gedanken, wie

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