Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
Vom Netzwerk:
machte nichts, log ich mir selber vor.
Ich würde nach jeder Unterrichtsstunde das Gleiche tun, nämlich das Essen hier
auf dem Tisch stehen lassen. Und ich würde Levin erzählen, was ich vorhatte.
Und Will. Dann könnten sie das den anderen weitersagen.
    Ich blieb auf der harten Steinbank sitzen,
bis mir alles wehtat.
    Als ich schließlich wieder aufstand, ließ
ich das Tablett auf dem Tisch zurück. Mein verdreckter Umhang klebte an meinem
Rücken, deshalb griff ich über die Schulter, um den Stoff zu lösen, doch der
saure Gestank meiner eigenen Achselhöhle ließ mich zusammenzucken. Wir alle
stanken wie Hoftiere, die in einem kleinen, schmutzigen Pferch gehalten werden.
Und wir alle waren Feiglinge, ich ganz besonders. Mir war es früher als allen
anderen gelungen, etwas zu essen heraufzubeschwören. Hatte ich jemandem
geholfen? Nein. Ich spürte, wie mir die Tränen in den Augen stachen. Ich war zu
lange ein Feigling gewesen, und nun war es zu spät.
    Beim Klang von Schritten riss ich den Kopf
hoch. Levin trat ein und musterte das Essen, das ich erschaffen, aber nicht
angerührt hatte. Ohne ein Wort ging er an mir vorbei. Unbeholfen stand ich
neben ihm und wusste, dass ich etwas sagen und ihn nach Tally fragen sollte.
Aber er trat vor den Stein, und ich konnte sehen, wie er die Schultern
anspannte. Levin ließ sich lange Zeit, ehe er die Hände hob und einen Schritt
machte. Aber als er so weit war, erschien vor ihm ein Teller mit Brokkoli und
Wildbret. Er machte sich nicht die Mühe, Besteck
entstehen zu lassen, vielleicht hatte er es auch versucht und es war ihm nicht
gelungen. Oder ihm war dieser Gedanke nie gekommen. Er setzte sich an einen der
anderen Tische und aß schnell und schweigend, ohne mich auch nur eines Blickes
zu würdigen. Dann, als er aufstand, schaute er mir in die Augen. Die seinen waren
glasig von Tränen. »Warum machen die das?«
    Ich zuckte mit den Schultern und
schüttelte den Kopf. Eigentlich wollte ich ihm erzählen, dass ich jeden Tag
Essen für Tally und die anderen zurücklassen wollte, aber ich konnte es nicht
aussprechen, denn ich war mir nicht sicher, ob ich das auch wirklich tun würde.
Levin wischte sein Tablett und den Teller auf den Fußboden. Die Essensreste
funkelten und verschwanden. Dann verließ er den Raum. Ich ging ihm zunächst
hinterher, aber dann wurde ich langsamer und machte mich zurück auf den Weg in
mein Zimmer. In dieser Nacht schlief ich kaum;
ich hasste mich selbst, die Zauberer, meinen Va ter. Aber am meisten mich
selbst.
     
    AUCH IN FRANKLINS NÄCHSTER UNTERRICHTSSTUNDE
WAREN WIR NUR ACHT – TALLY UND JOSEPH FEHLTEN noch
immer. Will lief zwischen Rob und dem anderen Jungen aus seinem Zimmer und
hatte große Mühe, sie so zu stützen, dass sie nicht das Gleichgewicht verloren,
während sie mit ihren verschmutzten Füßen über den Boden schlurften.
    Levins Gesichtsausdruck war trostlos,
seine Augenlider wund gerieben. Ich saß reglos da und lauschte auf etwas, das wie
das tosende Meer in meinem Kopf brüllte. Ich schloss die Augen, und als
Franklin uns anwies zu atmen, wehrte ich mich nicht dagegen, dass das Auf und
Ab meiner Brust mich hin- und herschaukeln ließ.
    Als wir gingen, war Gerrard wie immer als
Erster draußen. Ich schob mich hinter Levin. Er warf mir einen Blick über die
Schulter zu und beugte sich dann einen Moment lang ganz nah zu mir. »Tally ist
tot, Hahp. Er ist tot .«
    Den ganzen Weg zu unserem Raum versuchte
ich zu begreifen. Das war alles, was ich tun
konnte. Die Zaube rer würden uns alle bis auf einen töten. Sie würden
unseren Familien erzählen, dass wir Teil der Akademie geworden waren. Was streng
genommen auch der Wahrheit ent sprach. Ich
zitterte. Irgendwo musste es eine Höhle ge ben, die voller Knochen war.
    Von ihr träumte ich in dieser Nacht: von
einem steinernen Raum voller Knochen, alle durcheinandergeworfen, einige
zerbrochen, die Skelette der Jungen zu einem unordentlichen Haufen aufgetürmt,
sodass sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden waren.

41
     
    SOLLEN WIR HINTERHERLAUFEN?«, FRAGTE SADIMA.
– »DU NICHT«, ANTWORTETE FRANKLIN UND ZOG SIE DIE Treppe empor. »Ich komme so schnell wie möglich zurück.« Er
öffnete die Tür. »Bleib in der Wohnung. Lass niemanden herein. Wenn jemand nach
Somiss fragt, dann ruf durch die Tür, dass er hier schon vor Tagen ausgezogen
ist.«
    Sadima nickte und ging hinein, schloss die
Tür, verriegelte sie und lauschte auf Franklins Schritte, als dieser die

Weitere Kostenlose Bücher