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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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müssen. Ich konnte
nicht aufhören, über die hungern den Jungen
nachzudenken, aber es war eine selbstsüchti ge Erleichterung, sie nicht
auch noch sehen zu müssen.
    Nach der nächsten Unterrichtsstunde bog
ich aus einem unerfindlichen Grund in einen Tunnel ein, den ich nie zuvor
betreten hatte, rannte, ohne anzuhalten, immer weiter und zählte die abzweigenden
Gänge, an denen ich vorbeikam, um mir den Rückweg zu merken. Der Boden begann
anzusteigen, und ich rannte noch schneller, immer schneller, bis ich stolpernd
anhalten musste. Dann lehnte ich mich gegen die Wand, meine Brust hob und
senkte sich, und ich starrte auf meine eigenen Füße.
    Beim Rennen war der letzte Schorf von den
aufgerissenen Stellen abgefallen. Die Haut darunter war beinahe verheilt, aber
noch rosa und glänzend. Meine Fußsohlen waren so zäh wie Hufe, und meine Haut
war an jenen Stellen dicker geworden, wo der Umhang rieb. Nichts tat weh. Meine
Augen füllten sich mit Tränen. Es fühlte sich so unglaublich gut an, zu rennen
und sich wieder als stark zu erleben.
    Als ich zurück zu unserem Zimmer kam,
drückte ich vorsichtig die fischförmige Klinke hinunter. Gerrard war dort. Er
regte sich nicht und machte keinerlei Anzeichen, dass er mein Eintreten bemerkt
hatte. Ich entzündete meine Lampe und legte mich auf mein Bett, um an die
dunkle Steindecke zu starren.
    Sechs von uns hatten zu essen. Sechs von
uns wurden stärker statt schwächer: ich, Gerrard, Will, Jordan, Levin und Luke.
Vielleicht könnte ich sie überreden, den anderen zu helfen, zum Beispiel, indem
wir so viel Nahrung versteckten, wie wir mitnehmen konnten. Ich könnte mit
ihnen sprechen … Wann? Wo? Der Speisesaal war nicht sicher, und ich hatte keine
Ahnung, wo sich ihre Räume befanden. Ich spürte, wie sich klammer Schweiß auf
meiner Stirn sammelte. War das der Grund, warum uns die Zauberer trennten? Warum
wir immer von einem Zauberer abgeholt wurden, der uns in den Unterricht begleitete
– und warum es nie derselbe war? Verdammt. Die Akademie war alt und hatte
ausgeklügelte Methoden.
    Ich drehte mich auf die Seite und wünschte
mir, mit Gerrard sprechen zu können, aber er saß wie immer mit dem Rücken zu
mir und las. Und vermutlich belauschten uns die Zauberer auf irgendeine Art und
Weise. Vielleicht beobachteten sie uns auch ständig. Ich schüttelte den Kopf
und fühlte mich dumm. Warum sollten sie sich diese Mühe machen? Sie wussten
genau, wie einge schüchtert wir waren. Ich
stand auf und ging zwei Schrit te zur Tür, nur um aus den Augenwinkeln zu
prüfen, ob Gerrards Augen geöffnet waren, oder ob er sich tief in die Stille
seines eigenen Schädels zurückgezogen hatte.
    Doch Gerrard las die Lieder der Alten –
das Buch in der Sprache, die ich noch nie gesehen hatte. Seine Lippen bewegten
sich kaum merklich, und während ich ihn beobachtete, blätterte er eine Seite
um.
    Ich ging zurück zu meinem Bett und setzte
mich; irgendwann legte ich mich hin und schlief ein. Meine Träume waren
entsetzlich. Ich sah Menschen, die um Essen bettelten, die Gesichter
eingefallen, die Zähne schwarz und kaputt.
    Ein Zauberer kam und hämmerte gegen die
Tür; ich stand auf, pinkelte, spritzte mir Wasser ins Gesicht und lief ihm den
Flur entlang hinterher, froh darüber, meinen Träumen entkommen zu können. Als
ich unseren Klassenraum betrat, saßen Will und seine Zimmergenossen bereits eng
beieinander. Jordan, Levin und Luke waren ebenfalls bereits anwesend. Nur Tally
fehlte. Und Levins Augen waren rotgerändert und hatten tiefe Schatten.
    »Das dritte Atemmuster«, sagte Franklin,
und wir alle gehorchten wie geprügelte Hunde. Ich schloss meine Augen und
versuchte, alles andere auszublenden. Aber dieses Mal gelang es mir einfach
nicht. Ich warf Gerrard einen Blick zu. Hatte er überhaupt irgendetwas mitbekommen?

39
     
    BITTE, MEINE DAME, BITTE, MEINE DAME, BITTE,
MEINE DAME …« DIE STIMME DES KLEINEN JUNGEN WAR RAU und heiser. Sadima beobachtete ihn. Er jedoch hatte sie noch nicht
bemerkt. Nun, da sie einige Münzen in der Tasche ihres Kleides hatte, war es
ihr unmöglich, das Flehen all dieser Kinder zu ignorieren. Und dieser kleine
Bursche hatte ihr Herz angerührt. Er hatte eine so fröhliche Ausstrahlung und
eine so schreckliche Narbe. Jemand hatte versucht, ihm die Kehle durchzuschneiden,
und das Messer war hinter seinem Ohr hochgerutscht, während er um sein Leben
kämpfte.
    Einen Moment lang sahen sich Sadima und er
in die Augen, und der Junge grinste, dann

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