Die Gabe der Magie
Und wenn der Koch Krabbenpasteten gebacken hätte, Somiss jedoch
eingelegtes Lamm essen wollte, dann würde er seine Pasteten den Schweinen
vorwerfen, und sechs Marsham-Jungen und vier Köche würden herumrennen, um ein
Lamm für den Schmortopf zu besorgen. Damit es schneller ginge, würden sie es
auch bei lebendigem Leibe aufspießen.«
Sadima blinzelte. Franklin machte keinen
Scherz.
Er stieß den Atem aus und dehnte seine
Hand, die vom Griff um den Federkiel ganz steif geworden war.
»Wenn er einen Welpen haben wollte, würden
ihm die Diener sofort einen bringen. Wenn er braun wäre, Somiss aber einen
weißen mit langen Ohren haben wollte, würden zwanzig erwachsene Männer und
sechs Hausjungen losspringen, um einen
weißen mit langen Ohren zu fin den. Wenn
das zu lange dauerte oder Somiss wegen irgendet was schlechter Laune
wäre, würde man sie schlagen.«
»Und du warst sein Begleiter und sein
Freund«, stellte Sadima verwundert fest.
»Hast du um die Sachen gebe ten, und die Diener …«
»Nein«, unterbrach Franklin sie. »Du
verstehst nicht. Ich war sein Welpe. Er hat mich ausgewählt, als wir noch sehr
jung waren. Wir waren ungefähr zwanzig kleine Jungen, alle ordentlich
geschrubbt und sehr verängstigt. Er fand mich amüsant, weil mich alles in dem
Haus so erstaunte. Dann, später, stellte er fest, dass er mit mir
über alles sprechen konnte. Sein Geist …« Franklin hielt inne und machte eine
allumfassende Geste. »Es gab nichts, was ihn nicht interessierte. Ich war drei
Jahre alt, als man mir sagte, ich hätte dafür zu sorgen, dass er ruhig und glücklich
sei.«
Sadima schwieg und versuchte, sich das
alles vorzustellen. »Drei? Haben dich deine Eltern einfach dorthin gebracht,
dich zurückgelassen und …« Sie brach ab, weil er bereits nickte. »Hatten sie
denn keine Angst, dass dir etwas zustoßen könnte?«
Franklin tauchte seinen Federkiel in das
Tintenfass und machte sich wieder an die
Arbeit. »Die Papiere wa ren schon unterzeichnet. Meine Eltern wurden
großzügig entlohnt.«
»Ich wollte dich heute Nacht eigentlich
etwas fragen«, sagte Sadima.
Franklin schrieb weiter.
»Bitte«, sagte sie leise. Er sah zu ihr
auf. »Ich wollte dich fragen, ob du gemeinsam mit mir Geld sparen würdest,
sodass wir uns eines Tages einen kleinen Hof irgendwo kaufen können.« Sie sah, wie
seine Augen größer wurden, und sprach weiter, ehe er sie unterbrechen konnte.
»Nun jedoch habe ich eine andere Frage. Was würdest du kosten?«
Franklin runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
»Wenn wir gemeinsam unser Geld sparen
würden, um deine Freiheit zurückzukaufen, was würde Somiss von uns verlangen?«
Franklin schwieg. Lange hielt er ihrem
Blick stand, dann sah er zur Wand. »Ich glaube nicht, dass das für ihn in Frage
käme«, sagte er schließlich.
»Du kannst dich bei ihm erkundigen«,
entgegnete Sadima.
Franklin schüttelte
den Kopf. »Er würde es nicht tun. Er braucht mich, damit ich ihm in der
Akademie helfe.«
Sadima blinzelte. »Akademie?«
Franklin biss sich
auf die Lippen. »Er hat mir verbo ten, dir davon zu erzählen. Wenn du irgendetwas verrätst …«
»Franklin«, sagte Sadima. »Wir könnten es
doch versuchen. Wir könnten fragen und …«
Schritte auf der Treppe brachten sie beide
zum Schweigen. Franklin nahm seine Feder wieder auf und ging zurück an seine
Arbeit. Sadima breitete ihre fertigen Abschriften aus, dann griff sie nach dem
Messer, um den Kiel ihrer Feder zu schärfen. Einen Augenblick später wurde die
Tür aufgestoßen.
Sadima zuckte zusammen. Aber Somiss war
nicht zornig, sondern aufgeregt. Und er trug etwas unter dem Arm.
»Ich war auf dem Weg zum Ferrin Hill, als
eine Zigeuner-Frau über die Straße gerannt kam und mir dies hier gab.« Er legte
ein schmales Buch auf den Tisch.
Franklin nahm es an sich und schlug es
auf. Seine Augen weiteten sich. »Ist das ihre Sprache? Also gibt es sie doch in
geschriebener Form?«
Somiss nickte. »Ja, aber es ist ein großes
Geheimnis. Und dies ist ein Buch, das sie die Lieder der Ältesten nennen.
Rate, warum die Frau es mir überlassen hat.«
Franklin zuckte mit den Schultern. »Beim
letzten Mal, als ich mit Zigeunern gesprochen habe, musste ich hinterher
vierzehn Tage lang das Bett hüten. Ich habe keine Ahnung.«
»Sie gab es mir, weil sie wütend auf ihren
Vater ist«, sagte Somiss. »Er hatte damals den Angriff zu verantworten.«
Franklins Augen wurden schmal. »Aber sie
ist eine Zigeunerin , Somiss. Sie sprechen kaum
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