Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
mit enorm dicken Stämmen standen hier. Hin und wieder brach einer der oberen Äste unter der zentnerschweren Schneelast. Und dann fand der Jäger die frischen Spuren im Schnee. Ungläubig starrte er auf den Boden, beugte sich nieder und berührte vorsichtig mit der Hand die Abdrücke, so als könnte er ihnen dadurch zusätzliche Informationen entnehmen. Sein Gesicht veränderte sich. Seine Nasenflügel bebten. In seinen dunklen Augen flackerte es.
Tigerspuren, die aus dem nichts zu kommen schienen! ging es ihm fröstelnd durch den Kopf. Als ob eine dieser
majestätischen Raubkatzen einfach aus dem Nichts heraus in den Schnee gesprungen war, um dann ihren Weg fortzusetzen. Ein Weg, der nirgendwo einen Beginn hatte und ebenso plötzlich wieder im Nichts enden konnte...
Der Jäger hatte so etwas schon erlebt.
Ein Uksaki! durchschoß es ihn voller Ehrfurcht. Ein Geister-Tiger...
Das laute Brüllen einer Raubkatze ließ ihn zusammenzucken. Es klang wie aus der Kehle von einem Dutzend Tigern. Und das aus nächster Nähe!
Aber nirgends war eine dieser großen Katzen zu sehen. Keine Bewegung, kein Augenpaar, das den einsamen Jäger gierig musterte, kein Zähnefletschen mörderischer Fänge... Deine Waffen werden dir kaum helfen können! wurde ihm klar. Und doch faßte er den Speer mit beiden Händen, die scharfe Spitze nach vorn gerichtet.
Du bist nahe am Ziel! Kein Krieger hat es bisher gewagt, einem Uksaki zu folgen...
Niemand hat bisher ihr Geheimnis enträtseln können... Ich, Maguan vom Stamm der Kedvoi werde der Erste sein!
Seit vielen Monden schon war er immer wieder ihren Spuren gefolgt. Und jetzt schien er dem Ziel so nah wie nie zuvor zu sein...
Wieder ließ ihn das Brüllen von Dutzenden dieser seltsamen Geschöpfe zusammenzucken. Geschöpfe, die zweifellos die Kräfte von Göttern besaßen.
Die Uksaki werden meinen Mut anerkennen! dachte Maguan. Und ich werde sie um Jagdglück für den Stamm der Kedvoi bitten...
Der einsame Jäger folgte der Spur, kämpfte sich durch widriges Unterholz hindurch und betete dafür, daß diese Spur nicht aufhören möge...
Wie so oft schon!
Maguans Pulsschlag raste. Aufmerksam beobachtete er seine Umgebung nach jedem Anzeichen, daß ihm einen Hinweis geben konnte. Einige Augenblicke lang war es völlig still. So verdächtig still, daß einem Mann wie Maguan das nicht gefallen konnte. Kein Laut. Nichts...
So als würde alles Leben diesen Ort meiden!
Und das wahrscheinlich mit einem guten Grund.
Maguan atmete tief durch.
Nein, er würde die Furcht nicht siegen lassen! Nicht so kurz vor dem Ziel! Hier ganz in der Nähe mußten sie sein, die Geister-Tiger. Die mächtigen Uksaki, die den Kedvoi vielleicht helfen konnten.
Maguan verlor das Gefühl für Zeit.
Er folgte der Spur bis zu einer schroff aufragenden Felswand, in der sich ein dunkles Loch befand. Der Eingang zu einer Höhle. Maguan schauderte unwillkürlich bei dem Anblick dieser Dunkelheit, in der er die Tigerspuren verschwinden sah.
Und er scheute davor zurück, weiterzugehen.
Wenn sie nicht gewollt hätten, daß du diesen Ort erreichst, wärst du jetzt nicht hier! rief er sich ins Bewußtsein. Er war davon überzeugt, daß die Uksaki ihn diese Höhle mit Absicht hatten finden lassen...
Anders war es für ihn nicht erklärlich.
Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Kein Laut entstand dabei.
Vielleicht ist sie dies - die legendäre Höhle der Uksaki, von der die Geschichten der Alten berichten...
Unschlüssig darüber, was er jetzt tun sollte, stand Maguan da und starrte in die Finsternis, die sich vor ihm wie ein dunkler Abgrund in die Unendlichkeit öffnete.
Ein dumpfes Geräusch ließ den Jäger zusammenzucken. Es klang wie ein Knurren, verfremdet durch den Hall, wie er in einem Höhlengewölbe herrschen mußte.
Lautlos glitten die Fellstiefel des Jägers über den festgefrorenen Schnee.
Und dann sah er auf einmal ein Licht.
Ein flackernder Schein drang aus der Höhle heraus, wie von einem wärmenden Feuer.
Maguan nahm all seinen Mut zusammen und betrat die Höhle. Einen schmalen, hohen Gang ging er entlang, der in einem großen, hallenartigen Höhlengewölbe endete.
In der Mitte dieses Raumes befand sich ein großer Felsblock, dessen Form entfernt an die eines Quaders erinnerte. Auf diesem Felsblock befand sich eine
schalenförmige Vertiefung, in der ein Feuer brannte. Aber was für ein Feuer!
Grüne, kalte Flammen loderten empor und tauchten das gesamte Gewölbe in ein
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