Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
machte ein unbestimmtes Gesicht.
Insgeheim war Jim immer ein bißchen verliebt in mich gewesen. Ich hatte diese Gefühle nie erwidert. Jim war für mich ein guter Kollege und Freund. Nicht mehr. Aber ab und zu konnte er sich Tom betreffend eine bissige Bemerkung nicht verkneifen.
Jim Field hob die Augenbrauen. "Wäre doch möglich, daß Tom Hamilton sich mal wieder ein paar Monate Extra-Urlaub in der Wildnis nimmt. Naja, wenigstens hat er diesmal seine Story rechtzeitig in die Redaktion geschickt..."
"Hör auf, Jim!"
"Ah, ich sehe schon. Wo die Liebe anfängt, da hört der Humor auf...."
"Ha, ha, sehr witzig."
"Wie auch immer. Ich würde Mr. Swann nicht länger warten lassen, als unbedingt nötig... Auch wenn er heute ganz gute Laune hat!"
"Keine Sorge, Jim!"
*
Als ich das Büro von Michael T. Swann betrat, tauchte dieser gerade hinter seinem völlig überladenen Schreibtisch hervor, auf dem sich Stapel von Manuskripten in geradezu schwindelerregende Höhen auftürmten. Swann war ein breitschultriger, etwas untersetzter Mann, der mit geradezu fanatischer Besessenheit seinem Job nachging. Die LONDON
EXPRESS NEWS war sein Leben. Oft war er morgens der erste in der Redaktion und abends der letzte, der ging. Aber das schien ihm nichts auszumachen. Er widmete sich seiner Aufgabe, diese Londoner Boulevardzeitung in der Lesergunst ganz oben zu halten mit all seiner Kraft und Energie. Und dasselbe verlangte er auch von seinen Mitarbeitern. Nichts haßte er so sehr, wie schlecht recherchierte Stories. Aber Leistung erkannte er immer an. Und unter seiner knurrigen, manchmal etwas unwirsch wirkenden Oberfläche steckte ein Mann, der eigentlich immer das Wohl aller im Blick hatte.
"Guten Morgen, Patti! Gut, daß Sie endlich kommen! Ich frage mich, wie lange Mr. Field für die paar Meter zu Ihrem Schreibtisch gebraucht hat..."
Ich verkniff mir eine Erwiderung. Egal, was man in einer solchen Situation auch sagen mochte, man würde es nur noch schlimmer machen.
Swanns Gesicht war leicht gerötet. Er schwitzte. Die Ärmel seines Hemdes waren hochgekrempelt, und die Krawatte hing ihm wie ein verdrehter Strick um den Hals.
Es war ihm anzusehen, daß er arbeitete und nicht nur pro Forma in seinem Büro herumlungerte und lediglich die Verant-wortung für alles trug. Nein, ein solcher Chef wollte Swann auch gar nicht sein. Seine Devise war, daß man in seiner Po sition am besten in allem mit gutem Beispiel voranging.
"Setzen Sie sich, Patti", sagte er dann. Ich ließ mich in einen der dunklen Ledersessel fallen, die schon Bestandteil dieses Büros waren, seit ich es zum ersten Mal betreten hatte.
Swann atmete tief durch.
Sein Blick wirkte ernst. Die Augenbrauen waren zusammengezogen und bildeten eine Art Schlangenlinie. Er gab mir eine Klemmappe, in der einige Agenturmeldungen abgeheftet waren. "Hier", sagte er, "das dürfte eine Story so richtig nach Ihrem Geschmack sein, Patti..."
"Worum geht es?"
"Es geht um einen geheimnisvollen Todesfall auf einem Rummelplatz in der Nähe von Poole. Wissen Sie, wo das liegt?"
"Im Süden, westlich von Southampton. Man muß nur die Küstenstraße entlang fahren."
Swann grinste.
"Stimmt", sagte er. "Der Tote ist ein Obdachloser, der sich weit nach Mitternacht, als der Jahrmarkt längst geschlossen war, auf dem Gelände herumtrieb." Während ich Swann zuhörte, überflog ich die dürren Agentur-Meldungen, die es zu der Sache gab. Viel war denen nicht zu entnehmen. Offenbar tappt die Kriminalpolizei noch völlig im Dunkeln, was man ihr bei der seltsamen Spurenlage wohl auch nicht verübeln kann..."
Ich stieß bei der Durchsicht der Unterlagen rasch auf eine Passage, die darauf Bezug nahm.
"Tatwaffe war eine... Streitaxt!" murmelte ich. Swann nickte.
"Ja, nur daß diese Waffe zu einem Skelettkrieger gehört, die vor dem Eingang der Geisterbahn Wache hält. Damit nicht genug, die Spuren, die man gefunden hat legen den Schluß
nahe, daß dieser Skelettkrieger sich tatsächlich selbstständig gemacht hat und durch das Gelände gelaufen ist. Na ja, vielleicht wollte da jemand den Ermittlungsbehörden einen Streich spielen oder mit seiner Tat möglichst auf Seite eins gelangen!"
"Was ihm nun vielleicht ja auch gelingt", gab ich zurück. Swann zuckte die Achseln.
"Was sollen wir dagegen tun? Nicht über dieses Verbrechen berichten?"
Ich las weiter in den Unterlagen.
Und Michael T. Swann sah mir dabei zu. Er hielt es nicht Für notwendig, noch ein Wort zu dem Fall zu sagen. Nach
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