Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
uns morgen", sagte er.
"Ich möchte wissen, was geschehen ist, Tom."
"Hat Mrs. Vanhelsing dir nicht..."
"Ich will wissen, was wirklich dort in diesem Abbruchhaus geschehen ist. Und zwar alles..."
Eine Pause folgte. Einen Augenblick dachte ich schon, daß
am anderen Ende der Leitung niemand mehr war.
Doch dann meldete sich Tom wieder.
"Wir reden morgen", sagte er. "Ich werde dich abholen. Schließlich steht dein Wagen noch hier bei mir... Und ich denke nicht, daß du es vorziehst, mit dem Taxi zum Verlagsgebäude zu fahren!"
Ich atmete tief durch.
"Gute Nacht", flüsterte ich.
"Gute Nacht."
*
Am nächsten Tag regnete es Bindfäden. Ich stieg zu Tom in den Wagen. Er begrüßte mich mit einem charmanten Lächeln. Er fuhr los und fädelte sich in den Verkehr ein.
"Ich werde dich in die Ladbroke Grove Road fahren", erklärte er. "Dort steht dein rotes Mercedes-Schätzchen. Ich denke, du wirst noch pünktlich in die Redaktion gelangen."
"Und du?" fragte ich.
"Ich habe mich krank gemeldet."
"Was hast du vor?"
Er antwortete mir nicht. Ich beobachtete seine große, kräftige Hand, die die Gangschaltung betätigte. Sein Gesicht wirkte angestrengt.
Er sah aus, als hätte er nicht viel geschlafen.
"Nach dem, was gestern geschehen ist, wirst du dir sicher einige Fragen stellen, Patricia...", begann er dann.
"Nicht erst seit gestern abend!" erwiderte ich - nicht ohne eine gewisse Portion Ärger im Tonfall. Ich sah ihn an, versuchte in seinem Gesicht irgend einen Hinweis zu finden. Aber diese ebenmäßigen Züge blieben für mich rätselhaft wie eine Sphinx.
"Du kannst mir vertrauen, Tom", sagte ich. Er zuckte die Achseln, während wir eine Ampel erreichten, die auf rot stand. Der Regen pladderte heftig gegen die Frontscheibe. Die Wischblätter der Scheibenwischer konnten kaum für ausreichende Sicht sorgen. Ein grauer Tag mit einem Wetter, daß einen deprimieren mußte.
"Es hat nicht unbedingt damit zu tun, daß ich dir nicht vertraue, Patricia..."
"Nein, womit dann?"
"Es ist... schwer." Er schluckte. "Ich möchte niemanden in Gefahr bringen. Und schon gar nicht eine junge Frau, an der mir viel liegt." Er drehte den Kopf und der Blick seiner graugrünen Augen ging mir durch und durch.
Ich sah Zuneigung in diesem Blick.
Vielleicht auch mehr, wobei ich mich fragte, ob mir da nicht vielleicht meine innersten Wünsche einen Streich spielten, in dem sie mich das sehen ließen, was ich sehen wollte. Ich war verwirrt. Ich atmete tief durch und fühlte das unruhige Pochen meines Herzens.
In seinem Blick war aber auch noch etwas anderes. Seelischer Schmerz...
"Von was für einer Gefahr sprichst du, Tom?" fragte ich. Und dann begriff ich.
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen.
"Der Leichenwagen", flüsterte ich. "Dieses seltsame Wesen aus schwarzem Licht oder Gas, das darin wohnt... Er hat dich gejagt!"
"Ja", gab er zu, während die Ampel auf grün sprang und der Wagen wieder anfuhr.
"Erklär es mir, Tom. Bitte! Wir müssen einen Weg finden, dieses mörderische Ding zu stoppen..."
"Es ist kein Ding, Patti. Es lebt."
"Was ist es?"
"Wirklich erklären kann ich es auch nicht. Ich bin kein Okkultist oder Parapsychologe. Es scheint eine Kreatur zu sein, die wie ein Rachegeist durch die Straßen Londons zieht und den Tod bringt..."
"Was hat das alles mit dem Namen Bascomb zu tun? Und weshalb hat uns dieses Wesen gestern nicht getötet?"
"Um auf deine letzte Frage zuerst zu antworten: Weil ich es aufgehalten habe."
"Was?"
Ich sah ihn erstaunt an.
Er zuckte die Schultern.
"Ich kann es nicht erklären, aber ich habe festgestellt, daß dieser Leichenwagen sich durch Konzentration aufhalten läßt. Nicht für immer, sondern nur für kurze Zeit. Und es kostet gewaltige Kräfte..."
"Geistige Kräfte?"
"Man kann es so nennen."
"Hast du schon einmal darüber nachgedacht, ob du vielleicht übersinnlich begabt bist?"
Tom lächelte.
"Nein, das glaube ich nicht..." Er machte eine Pause. "Du bist der erste Mensch, mit dem ich über diese Dinge spreche", sagte er dann. "Und vermutlich wirst du mir meine Geschichte auch kaum abnehmen..."
"Käme es nicht auf einen Versuch an?" erwiderte ich.
"Vielleicht. Und dieser Leichenwagen ist ja immerhin eine Realität, an der keiner von uns beiden zweifeln würde..."
"Das ist wahr, Tom!"
Ich schaute ihn aufmerksam an.
Er atmete tief durch.
"Weißt du, ich habe während meiner Zeit in Asien ein paar Monate in einem Tempel zugebracht, der irgendwo im Dschungel zwischen
Weitere Kostenlose Bücher