Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
diesem Moment klingelte es an der Tür.
"Das wird Dr. Madison sein", erklärte Tante Lizzy.
"Er ist umsonst gekommen!"
"Oh, nein!" widersprach Tante Lizzy energisch. "Ich bestehe darauf, daß er dich einer kurzen Untersuchung unterzieht."
"Dafür habe ich keine Zeit!"
"Nimm sie dir, Patti. Dann werde ich dir nachher etwas zeigen, auf das ich bei meinen Recherchen gestoßen bin..."
*
Dr. Madison war ein freundlicher, bereits weißhaariger Mann, der Tante Lizzy schon seit Jahrzehnten aufsuchte. Vor allem dann, wenn ihr das schwache Herz mal wieder Sorgen bereitete.
"Sie können beruhigt sein, Mrs. Vanhelsing, mit Miss Vanhelsing ist alles in Ordnung. Sie ist vielleicht ein bißchen
überanstrengt. Aber es dürfte wohl zwecklos sein, jemandem, der im hektischen Medien-Business arbeitet zu empfehlen, mal etwas kürzer zu treten..."
Er verabschiedete sich in aller Höflichkeit.
Dann wandte sich Tante Lizzy an mich und führte mich in die Bibliothek. Auf einem der runden, zierlich wirkenden Tische lag eine offene Mappe mit vergilbten
Zeitungsausschnitten.
"Ich bin auf etwas sehr Interessantes gestoßen", erklärte sie dann. "Es gab bereits in den Fünfzigern eine Serie von Todesfällen, die mit einem Leichenwagen in Zusammenhang zu stehen schienen..."
Ich nahm einen der Ausschnitte. Und das erste, was mir ins Auge fiel, war ein Name.
"Bascomb!" flüsterte ich.
Tante Lizzy hob die Augenbrauen. "Sagt dir der Name vielleicht etwas?"
"Und ob! Mr. Nevins von der Kanzlei Carrington, Nevins & Brolin erwähnte ihn..."
"Es gab einen Mordfall Zachary Bascomb", erklärte Tante Lizzy. "Bascomb hatte sein ererbtes Vermögen durch Spekulationen erheblich vermehrt. Als er unerwartet starb, verdächtigte man seine erheblich jüngere, zweite Frau Clarissa und Bascombs Neffen George, Zachery vergiftet zu haben. George hatte versucht, durch betrügerische
Machenschaften Zachary in seinem eigenen Unternehmen zu entmachten, was ihm beinahe auch gelungen wäre. Außerdem hatten er und Clarissa ein Verhältnis. Nur kurze Zeit nach Zacharys Tod heirateten die beiden. Der Mordvorwurf, den Scotland Yard erhob, ließ sich nicht beweisen. Es kam zwar zum Prozeß, aber sowohl Clarissa als auch George wurden freigesprochen. Allerdings starben sie kurze Zeit später unter mysteriösen Umständen. Zeugen wollten gesehen haben, wie sie von einem Leichenwagen überfahren wurden..." Tante Lizzy zeigte mir die Ausschnitte. Ich überflog den Text.
"Interessant", murmelte ich. "Harold Carrington war damals ein junger Strafverteidiger..."
"Die Kanzlei seines Vaters war sehr renommiert", stellte Tante Lizzy fest. "Sie wurde mit der Verteidigung von George Bascomb beauftragt. Clarissa mußte sich einen anderen Anwalt nehmen, da ja ein Interessenkonflikt möglich war..."
"Philip Nolan", las ich.
"Ich weiß es nicht mehr auswendig", gestand Tante Lizzy.
"Aber über die Bascomb-Geschichte hinaus habe ich noch etwas anderes. Allerdings muß ich, was das betrifft noch einige Nachforschungen anstellen..."
"Wovon sprichst du?"
Tante Lizzy ging auf die andere Seite der Bibliothek. Ihr Blick glitt suchend über die langen Reihen der dicken Lederfolianten, um dann zielsicher eine dünne, geradezu unscheinbare Broschüre herauszuziehen.
Ich trat zu Tante Lizzy hin und blickte ihr über die Schulter.
Der Titel der Broschüre lautete: Geister der Rache Spekulationen über einige mysteriöse Todesfälle Als Verfasser war ein gewisser A.M. angegeben.
"Der Autor - bei dem es sich vermutlich um einen relativ bekannten Okkultisten namens Alexander Milton handelt befaßt sich kaum verschlüsselt mit dem Tod von George und Clarissa Bascomb. Milton bezieht sich unter anderem auf Hermann von Schlichtens Buch Absonderliche Kulte und glaubt nachweisen zu können, daß Clarissa und George durch das Wirken eines Rachegeistes gestorben sind..."
In diesem Moment klingelte das Telefon.
Tante Lizzy legte die Broschüre zur Seite und ging an den Apparat, ein altertümliches Ding mit Gabel und Wählscheibe. Es handelte sich inzwischen beinahe um ein Museumsstück. Wenig später reichte sie mir den Hörer entgegen.
"Für dich, mein Kind", sagte sie.
Ein stilles Lächeln stand auf ihrem Gesicht. Ich nahm den Hörer.
"Hier Patricia Vanhelsing", meldete ich mich.
"Es freut mich, daß du wieder auf den Beinen bist, Patricia", sagte eine vertraute, dunkle Stimme, deren Klang ein seltsames Kribbeln in meiner Bauchgegend auslöste.
"Tom!" entfuhr es mir.
"Wir sehen
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