Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
daß du am Leben bleibst, Patti!" Der Druck wurde stärker. Ich sah, wie Tom sich abwandte und zurück in die Dunkelheit dieses Abbruchhauses ging. Ich taumelte vorwärts, lehnte mich über die Fensterbank, streckte die Hand aus. Schwindel hatte mich erfaßt. Alles drehte sich vor meinen Augen. Der Druck hinter den Schläfen wurde immer stärker und begann zu pulsieren.
Es war eine Art geistiger Energie, die ich da spürte. Ich taumelte, fühlte den kalten Stein des Gemäuers und rutschte an ihm zu Boden. Ich hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen.
Und als ich hinaufblickte, sah ich etwas Dunkles aus dem Fenster herausquellen.
Wie ein sehr schweres Gas wirkte es.
Einen Augenblick später füllte es mein gesamtes Blickfeld aus.
Nichts als die Finsternis des Tode umgab mich.
Und Kälte.
Von Panik geschüttelt schrie ich laut auf und dann schwanden mir die Sinne.
Ich fühlte - nichts.
*
Das erste, was ich sah, war das gütige Gesicht von Tante Lizzy. Ich schlug die Augen auf und sah sie verwirrt an. Dann schreckte ich hoch und stellte fest, daß ich mich auf einem Diwan befand, den ich schon seit meiner Kindheit kannte. Es handelte sich um das Geschenk eines orientalischen Fürsten an Onkel Frederik, Tante Lizzys verschollenen Ehemann. Das gute Möbelstück mochte gut und gerne doppelt so alt sein wie ich und hatte inzwischen sicherlich antiquarischen Wert. Tante Lizzy hatte den Diwan in einen Raum gestellt, den sie noch immer als Salon bezeichnete - obwohl er so gar nicht danach aussah. Und das lag natürlich an ihrem ausufernden Okkultismus-Archiv. Auch hier waren die Wände mit Regalen bedeckt, so daß es kaum eine freie Stelle gab, an der man einen Blick auf die Tapete hätte werfen können. Dicht drängten sich die dicken Bände, auf denen sich der Staub der Jahre gesammelt hatte.
Ganze Stapel von Bänden und Mappen voller Presseartikel harrten noch ihrer Einordnung in dieses gewaltige und in seiner Art einzigartige Archiv.
"Wie geht es dir?" fragte Tante Lizzy. "Alles in Ordnung?"
"Ja, ich glaube schon...", murmelte ich und erhob mich. Ich fuhr mir mit der Handfläche über das Gesicht und strich die Haare zurück.
Tante Lizzy setzte sich zu mir auf den Diwan.
"Was ist geschehen, Patti?" fragte sie dann.
"Dasselbe wollte ich dich gerade fragen!"
"Mich? Aber..."
"Wie komme ich hier her?"
"Ein Mann hat dich mit seinem Wagen hier hergefahren", berichtete Tante Lizzy.
"Tom?"
"Er stellte sich mit dem Namen Hamilton vor."
"Ja, das ist er. Tom Hamilton."
"Er hat dich hier hereingetragen. Du warst ohnmächtig. Aber Mr. Hamilton war fest davon überzeugt, daß dir nichts fehlt und du bald wieder erwachen würdest! Ich habe trotzdem Dr. Madison angerufen. Er muß gleich eintreffen..."
"Wo ist Tom?" fragte ich.
"Er sagte, er hätte etwas zu tun. Etwas, das keinen Aufschub duldet." Tante Lizzy sah mich mit einem Gesichtsausdruck an, der eine Mischung aus Erleichterung und Sorge zu sein schien. "Ist wirklich alles in Ordnung?" fragte sie dann abermals.
Ich nickte.
"Ich denke schon..."
Und dann berichtete ich ihr von dem, was ich am Abend erlebt hatte. Bilder des Grauens, die mir jetzt, in der Erinnerung beinahe wie ein Alptraum schienen...
Tante Lizzy hörte mir geduldig zu.
Ihre ruhigen Augen musterten mich dabei.
Ich blickte sie hilfesuchend an. "Ich komme in der Sache mit diesem geheimnisvollen Leichenwagen nicht weiter!" sagte ich mit einem deutlichen Schuß Verzweiflung in der Stimme.
"Und dann..."
Ich sprach nicht weiter.
Ich biß mir auf die Unterlippe.
Sag, wie es ist! ging es mir durch den Kopf. Warum denn nicht?
"Ich glaube, ich habe mich verliebt", erklärte ich dann.
"In diesen Mr. Hamilton", folgerte Tante Lizzy messerscharf. Ich nickte. "Er war mir von Anfang an sympathisch, aber erst jetzt spüre ich, daß da vielleicht mehr sein könnte. Aber auf der anderen Seite...."
"Was?" hakte Tante Lizzy nach.
"Ich frage mich, was er mit diesem furchtbaren Leichenwagen zu tun hat! Tante Lizzy, dieses furchtbare schwarze Etwas, das aus dem Inneren des Wagens herausdrang lebte! Mein Gott - und es wollte uns töten! Da bin ich mir sicher!"
"Wirklich?"
"Du selbst hast mir stets geraten, meiner Gabe zu vertrauen, Tante Lizzy!"
"Das stimmt", gab sie zu, aber in ihrem Blick sah ich jetzt leise Zweifel.
"Dieses Wesen - oder was immer es auch gewesen sein mag hätte uns beide töten müssen, Tante Lizzy!"
"Aber das hat es nicht getan."
"Es muß eine Erklärung dafür geben!"
In
Weitere Kostenlose Bücher