Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
sich der hagere Anführer der Gruppe zu Wort.
"Warum haben Sie das getan, Meany?"
"Wovon sprechen Sie, Malldoon?"
"Warum haben Sie unsere Vorkehrungen immer wieder durchkreuzt?"
"Vorkehrungen?" donnerte Meany und lachte schauderhaft. Kalte Verachtung spiegelte sich darin wieder.
"Nennt ihr euren erbärmlichen Zauber, den ihr da aufgeführt habt etwa Vorkehrungen?"
"Die Schutzpfähle haben das Böse zumindest eingedämmt!" verteidigte sich George Malldoon.
"Aber ihr könnt es dadurch niemals besiegen!"
"Ach, nein?"
Meany ballte die Hände zu Fäusten. "Um den Mächten der Finsternis entgegentreten zu können, muß man das Böse zunächst an die Oberfläche kommen lassen... Ihr habt es nur für kurze Zeit zu bannen vermocht! Aber ihr wißt, daß es wiederkommt. So ist es seit Jahrhunderten geschehen. Einige Zeit glaubt ihr, daß es euch und eure Nachfahren verschonen wird und sich zurückgezogen hat. Und dann bricht es urplötzlich wieder hervor und verfolgt euch. Es gibt kein Entrinnen - und jeder von euch weiß das im Grunde seines Herzens!"
Malldoon trat vor. Er musterte Meany mit einem Blick voller Haß. Meanys Augen wurden zu schmalen Schlitzen, während der Schein der Fackel, die er in der Hand trug, eigentümliche Schatten auf seinem Gesicht tanzen ließ. Eine Bewegung in den nahen Baumkronen ließ mich den Blick wenden.
Etwas war dort.
Ich spürte wieder den eigentümlichen Druck hinter den Schläfen.
Mentale Energie...
Mein Herz begann wie wild zu schlagen.
Kein Wind blies und doch raschelten die Blätter, bewegt durch irgendeine gespenstische Kraft. Es war beängstigend. Das unbestimmte Gefühl, daß gleich etwas Furchtbares geschehen würde, verdichtete sich in mir zur Gewißheit...
"Sie haben geschafft, was Sie wollten, Meany!" rief Malldoon ärgerlich. "Das Böse ist nach Darrenby gekommen. Und es ist nicht hier. Es geistert durch die Dunkelheit und hält sich irgendwo verborgen - nur um auf einen geeigneten Augenblick zu warten..."
"Ich weiß", sagte Meany. "Ich wußte, daß es so kommen würde! Und ich weiß auch, daß es zuschlagen wird... Aber erst, wenn sich dieses Etwas in seiner vollen Grausamkeit offenbart, kann man es wirklich bekämpfen! Das ist meine Überzeugung! Und jeder, der mich kennt, weiß, daß es kaum einen Menschen auf der Welt gibt, der eine ähnlich große Erfahrung bei der Bekämpfung solcher übernatürlichen Bedrohungen hat wie ich!"
Ein Raunen ging durch die Reihen der Dörfler.
Malldoon lachte heiser.
"Ihre Überzeugung?" echote dieser.
"So ist es!" erklärte Meany in einem fast feierlichen Tonfall.
"Diese Überzeugung hat heute abend einem Mann das Leben gekostet! Mike Lafferty! Sie kannten ihn auch, Mr. Meany! Und nun sagen Sie mir ins Gesicht, daß Ihnen das völlig gleichgültig ist!"
Meanys Gesichtszüge blieben regungslos und starr.
"Er wird nicht der Letzte sein!" murmelte er.
"Sie haben ihn auf dem Gewissen!" rief Malldoon voller Wut. "Hätten Sie die Schutzpfähle nicht von ihren Positionen entfernt..."
Er sprach nicht weiter.
George Malldoons Gesicht erstarrte zunächst zu einer Maske, dann weiteten sich die Augen vor purem Entsetzen. Ich erschrak ebenfalls in dieser furchtbaren Sekunde. Ein Riß bildete sich von einem der Bäume her bis zur ersten Stufe des Portals. Er schnitt zunächst durch die Erde hindurch, dann spaltete er die Pflastersteine des Vorplatzes. Schreiend wichen die Fackelträger zur Seite. Die Pflastersteine sprangen empor, während sich eine etwa einen halben Meter breite Furche bildete.
Im gleichen Moment veränderte sich der Baum. Ein Kopf mit Schultern bildete sich heraus. Es war ein
feingeschnittenes Männergesicht, dessen Augen geisterhaft leuchteten.
Der Oberlippenbart gab ihm einen aristokratischen Ausdruck. Der zylindrische schwarze Hut in Kombination mit der weißen Halskrause ließ ihn wie einen englischen Puritaner des frühen 17. Jahrhunderts erscheinen. Das Haar fiel bis auf die Schultern, die in das Holz des Baumes förmlich hineingewachsen zu sein schienen. Es war nicht genau zu bestimmen, wo dieses Fragment eines
menschlichen Körpers endete und der knorrige Baumstamm mit der großporigen, vielfach aufgesprungenen Rinde begann.
Sie bildeten eine Einheit, deren Harmonie beängstigend wirkte. Die großen Äste, in die sich der Baum verzweigte, begannen sich wie tentakelhafte Arme zu bewegen. Ein Laut, der halb Klage und halb raubtierhaftes Knurren zu sein schien, entrang sich dem lippenlosen Mund. Das
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