Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
Kopf.
"Nein, bislang nicht. Aber ich fürchte, daß ihr noch begegnen werde..."
*
Als ich meinen roten Mercedes 190 auf den Parkplatz vor dem Verlagsgebäude der LONDON EXPRESS NEWS fuhr, war ich ziemlich spät dran.
Ich parkte den Wagen - ein Geschenk von Tante Lizzy - in eine der wenigen Parklücken, die um diese Zeit noch zu finden waren, stieg aus und beeilte mich, durch den aufkommenden Nieselregen ins Gebäude zu kommen.
Die Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS nahm eine ganze Etage in dem riesigen Betonklotz an der Lupus Street ein, in dem unser Verlag seinen Sitz hatte.
Als ich das Großraumbüro unserer Redaktion betrat, erwartete mich dort die übliche Hektik. Ein ständiges Kommen und Gehen herrschte zwischen den Schreibtischen. Hin und wieder schrillte ein Telefon.
Michael T. Swann, unser Chefredakteur hatte selbstverständlich ein separates Büro. Die Tür stand offen. Swann stand davor, hatte die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt und die Krawatte gelockert, so daß sie ihm wie ein Strick um den Hals hing. Swann hatte sich ganz und gar der Aufgabe gewidmet, die Auflage der LONDON EXPRESS
NEWS
oben zu halten. Oft war er der Erste in der Redaktion und abends nicht selten der Letzte. So etwas wie ein Privatleben schien er nicht zu kennen. Zum Leidwesen so manches Kollegen erwartete er diesen Einsatz allerdings auch von seinen Mitarbeitern.
"Guten Morgen, Patricia!" begrüßte er mich. "Auf Ihrem Schreibtisch liegen ein paar Meldungen. Machen Sie doch bitte so schnell wie möglich einen Artikel daraus. Fünfzig Zeilen. Und sehen Sie im Archiv nach, ob wir nicht ein paar passende Bilder dazu in den Katakomben schlummern haben..."
"Und wenn nicht?" seufzte ich.
"Dann müssen Sie mehr schreiben." Ich sah Mr. Swann an, sah dessen hochroten Kopf und gab den Gedanken auf, ihn danach zu fragen, ob es heute nicht auch eine größere Überschrift tun würde.
Auf dem Weg zum Schreibtisch nahm ich mir einen Becher des dünnen Redaktionskaffees aus der Maschine. Ich sah mich kurz um, bevor ich mich setzte. Von Tom Hamilton war nirgends etwas zu sehen.
Vielleicht war er bereits mit irgendeinem irrsinnig wichtigen Auftrag unterwegs.
Ich nahm einen Schluck des Kaffees und schloß für einen Moment die Augen.
"Hallo, Patti", sagte eine mir nur allzu vertraute Stimme.
"Ich glaube nicht, daß das die Arbeitshaltung ist, die unser geschätzter Mr. Swann gerne sieht!"
Ich blickte auf und sah einen blonden Haarschopf, einen Drei-Tage-Bart und ein ziemlich verknittertes Jackett, dessen Revers vom Riemen einer Kameratasche völlig ruiniert war.
"Hallo, Jim", sagte ich.
Jim Field war als Fotograph bei den LONDON EXPRESS NEWS
angestellt. Wir hatten schon oft zusammengearbeitet und so manche Story zusammen bearbeitet. Jim war mehr als nur ein guter Kollege. Er war auch ein Freund.
"Ein schönes Wochenende gehabt?", fragte er.
"Ich kann nicht klagen", erwiderte ich. Ich wußte nicht genau, worauf er eigentlich hinaus wollte. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß er nicht nur einfach so um meinen Schreibtisch herumstrich.
"Patti, ich möchte dich um einen Gefallen bitten", begann er dann. Jim kratzte sich im Nacken. Sein Gesicht wirkte viel nachdenklicher als sonst. Eigentlich war er eher der Typ des sunny boys, der immer gutgelaunt und witzig war. Aber im Augenblick schien ihn irgend etwas stark zu beschäftigen.
"Worum geht es?" fragte ich.
"Um dein Spezialgebiet, Patti."
"Ach, ja."
"Ich möchte dir etwas zeigen, Patti..." Er griff in die Innentasche seines Jacketts. Einen Moment später hielt er einige Fotoabzüge in der Hand.
"Worum geht es?" fragte ich.
Er breitete die Fotos auf meinem Schreibtisch aus. Es waren unverkennbar Modefotos. Hinreißend schöne Models posierten in extravaganten Kleidern vor einem ebenso extravaganten Hintergrund, der durch die grauen Mauern eines altehrwürdigen englischen Landhauses gebildet wurde. Dahinter erstreckte sich eine eigenartige, karge Landschaft, die in einem reizvollen Kontrast zu den Models und ihren Kleidern stand.
"Wie ich sehe, warst du mal wieder ziemlich fleißig in deiner freien Zeit", meinte ich.
Er zuckte die Schultern.
"Man tut, was man kann."
Ich wußte, daß Jim über seine Arbeit bei den LONDON
EXPRESS
NEWS hinaus sich hin und wieder ein paar Pfund dazuverdiente. Landschaftsaufnahmen für Bildkalender gehörten ebenso dazu wie Modefotographien. Michael T. Swann, unser allgewaltiger Chefredakteur, drückte beide Augen zu, solange Jims
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