Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
herausgefunden hast, wer die Frau auf den Bildern ist."
Ich sah Tante Lizzy an.
"Das müßte sich herausfinden lassen..." Tante Lizzy berührte mich leicht an der Schulter. "Laß dir nicht zuviel Angst einjagen, mein Kind!" Ich lächelte matt.
"Keine Sorge, Tante Lizzy."
"Du weißt, daß diese seherischen Visionen nicht zwangsläufig eintreten müssen. Es sind wahrscheinliche Möglichkeiten, mehr nicht..."
"Ja, natürlich."
"Oft genug hast du erlebt, daß sie sich von deinen tatsächlichen Erlebnissen unterschieden haben..." Und dennoch hatte ich in mir ein Gefühl des Unbehagens. Unruhe beherrschte mich, so als erwartete ich jederzeit, daß
etwas geschah..
Etwas Furchtbares...
Ich schluckte.
Du solltest auf Tante Lizzy hören! sagte ich zu mir selbst. Aber das war leichter gesagt als getan.
*
Die ganze Woche über hatte ich viel um die Ohren, was den Vorteil mit sich brachte, daß ich nicht so viel meine Vision und das Gesicht auf Jims Fotos nachgrübeln konnte. Toms Aufenthalt in Glasgow verlängerte sich um einen Tag und natürlich vermißte ich ihn sehr. Aber ich hatte selbst soviel zu tun, daß ich abends zumeist todmüde ins Bett und in einen traumlosen, tiefen Schlaf fiel. Zwischendurch sprach ich noch ein paarmal mit Jim über die Sache. Wir standen beide vor einem Rätsel.
Ich mußte einfach zugestehen, keine Lösung parat zu haben. Ich hatte keine Ahnung, wie die seltsamen Bilder entstanden sein konnten. Jim wiederum spekulierte schon, ob bereits Luftspiegelungen oder dergleichen für die Erscheinung des Gesichts verantwortlich sein konnten. Er hatte deswegen Kontakt mit einem ehemaligen Studienkollegen aufgenommen, der jetzt an einem meteorologischen Institut als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt war. Er sah mich seufzend an.
"Weißt du, ich würde gerne glauben, daß es wirklich nur eine Luftspiegelung war", erklärte er. Ich lächelte.
"Und nicht etwas, was nicht in unser wissenschaftliches Weltbild hineinpassen will!" ergänzte ich ihn und erriet damit haargenau seine innersten Gedanken.
"Da könntest du recht haben."
"Wir müssen einfach akzeptieren, nicht alles erklären zu können!"
"Mag sein, daß das Beste wäre. Aber ich kann es einfach nicht, Patti! Ich sehe immer dieses wunderschöne Gesicht vor mir und..."
"Das hört sich fast so an, als hättest du dich verliebt, Jim!"
Er schüttelte den Kopf.
"Nein, das ist es nicht."
"Bist du dir sicher?"
"Ganz sicher. Übrigens - am Wochenende habe ich noch einmal ein Shooting auf Barnstable Manor. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, etwas mehr über die Frau herauszufinden, die zu diesem Gesicht gehört..."
*
Grau und abweisend reckten sich die düsteren Mauern von Barnstable Manor in den Himmel. Das aus dicken Steinquadern errichtete Landhaus wirkte wie ein monumentaler Klotz, der sich nicht harmonisch in die Landschaft einfügen wollte. Die Nebengebäude waren aus demselben Material errichtet. Barnstable Manor lag auf einem Hügel. Von hier aus konnte man das gesamte Umland überblicken. Dieser Herrensitz, der irgendwann im siebzehnten Jahrhundert errichtet worden war, war der Mittelpunkt einer Einöde von unvergleichlicher Trostlosigkeit. Das Gras, das den Boden bedeckte wirkte farblos und fast wie verdorrt - obgleich die Vernunft jedem Betrachter sagen mußte, daß das bei dem regenreichen Klima dieser Gegend unmöglich war. Die Bäume und Sträucher wirkten knorrig, seltsam verwachsen und tot. Wie morsche Ruinen einstigen Lebens.
Ein trüber See befand sich ganz in der Nähe. Von ihm stieg ein leichter Modergeruch herauf, der vom Wind bis zum Herrenhaus der Lords von Barnstable getragen wurde. Lord Wilfried Barnstable stand an einem der hohen Fenster seines Landhauses und blickte hinaus. Er war ein hochge wachsener, grauhaariger Mann, dessen Gesicht ein starkes Profil aufwies. Der Blick seiner grauen, falkenhaften Augen wirkte melancholisch.
Stimmen waren draußen zu hören.
Helle Frauenstimmen. Jemand lachte.
"Mir gefällt es nicht, daß all diese Leute hier sind", sagte jemand, den Lord Barnstable nicht hatte hereinkommen hören. Es war Lady Margret Barnstable. Silbergrau leuchtete ihr Haar. Sie trug ein Diadem um den Hals und ihr dunkles Kleid wirkte elegant.
Sir Wilfried drehte sich zu seiner Frau herum. Er zuckte die Schultern und legte die Hände auf den Rücken.
"Es tut mir leid, Margret. Aber wir brauchen das Geld, daß
man uns dafür gibt..."
"Mir gefällt es trotzdem nicht, daß unser
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