Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
Hamilton gegenüber empfand.
Mein Name ist Patricia Vanhelsing und – ja, ich bin tatsächlich mit dem berühmten Vampirjäger gleichen Namens verwandt. Weshalb unser Zweig der Familie seine Schreibweise von „van Helsing“ in „Vanhelsing“ änderte, kann ich Ihnen allerdings auch nicht genau sagen. Es existieren da innerhalb meiner Verwandtschaft die unterschiedlichsten Theorien. Um ehrlich zu sein, besonders einleuchtend erscheint mir keine davon. Aber muß es nicht auch Geheimnisse geben, die sich letztlich nicht erklären lassen?
Eins können Sie mir jedenfalls glauben: Das Übernatürliche spielte bei uns schon immer eine besondere Rolle. In meinem Fall war es Fluch und Gabe zugleich.
"Ich liebe dich, Tom", sagte ich plötzlich in die Stille hinein, während wir über eine mehrspurige Stadtautobahn direkt in das vor uns liegende Lichtermeer der Riesenstadt London hineinfuhren.
Ich sah ihn an.
Er blickte kurz zu mir hinüber.
"Ich liebe dich auch", sagte er und lächelte.
"Ich dachte gerade daran, wie vertraut du mir bereits bist..." Ich zuckte die Achseln und seufzte. "Es ist geradezu unheimlich..."
"Findest du?"
"Ja."
"Patricia, wenn sich zwei verwandte Seelen finden, dann ist das nicht immer eine Frage der Zeit..."
"Vielleicht hast du recht." Ich machte eine Pause. Ich war hundemüde. Die Fahrt von Cornwall, bei der wir uns alle paar Stunden am Steuer abgelöst hatten, war sehr anstrengend gewesen. Aber ich war auch glücklich. Eine regelrechte Welle positiver Empfindungen durchströmte mich.
Ich hätte die ganze Welt in diesem Augenblick umarmen können.
"Wußtest du, daß ich außer mit meiner Großtante noch nie mit jemandem über meine Gabe gesprochen habe?" fragte ich dann.
"Ich glaube, du erwähntest es mal", sagte er.
"Es ist ein Beweis meines Vertrauens", sagte ich.
"Ich weiß."
"Tom, ich fühle mich dir so nah..."
"Patricia!"
"Ich möchte nicht, daß es jemals anders wird zwischen uns, Tom!"
"Das möchte ich auch nicht!"
Ich berührte ihn leicht am Ellbogen. Ich hätte ihn in dieser Sekunde gerne umarmt, mich an ihn geschmiegt und ihn voller Leidenschaft geküßt. Aber leider mußte wir in diesem Moment an die Erfordernisse des Straßenverkehrs einen gewissen Tribut zollen.
*
Tom brachte mich nach Hause. Zu Hause - das war die alte viktorianische Villa meiner Großtante Elizabeth Vanhelsing, die von mir einfach nur Tante Lizzy genannt wurde. Tom fuhr
seinen Volvo in die Einfahrt der am Stadtrand gelegenen
Villa. Wir küßten uns leidenschaftlich. Seine Hand strich mir über das Haar, und ich spürte ein eigentümliches Kribbeln in der Bauchgegend.
"Es ist spät", sagte ich dann. "Morgen werde ich an meinem Schreibtisch einschlafen..."
"Wäre das so schlimm, Patricia?"
"Unglücklicherweise haben wir bei den NEWS ja ein Großraumbüro. Da kann man nie sicher sein, daß der Chefredakteur nicht gerade zuschaut, wenn man sich eine Auszeit nimmt!"
Tom hob die Augenbrauen.
In seinen Augen blitzte es schelmisch.
"Hast du denn morgen nicht zufällig etwas im Archiv zu tun?"
Wir mußten beide lachen.
Dann stiegen wir aus.
Tom ging zum Kofferraum und holte mir meine Reisetasche heraus. Es war das erste Mal seit langem gewesen, daß ich verreiste, ohne mein Laptop mitgenommen zu haben, um einen Artikel über meinen Aufenthalt zu schreiben. Ein ganz ungewohntes Gefühl...
Ich nahm ihm die Tasche aus der Hand, setzte sie auf dem Boden ab und schlang noch einmal meine Arme um seinen Hals.
"Bis morgen", hauchte ich ihm ins Ohr.
"Bis morgen, Patricia!"
*
Ich steckte den Schlüssel in das Schloß der Haustür und drehte ihn herum. Bevor ich die Tür öffnete, drehte ich mich kurz herum und winkte Tom zu, dessen Volvo gerade die Straße entlang fuhr. Ich hoffte, daß er mich noch gesehen hatte. Dann ging ich in die Villa.
Es war bereits nach Mitternacht und es war durchaus möglich, daß Tante Lizzy schon schlief. In dem Fall wollte ich sie nach Möglichkeit nicht aufwecken, denn sie hatte ohnehin Schwierigkeiten einzuschlafen.
Genausogut war es allerdings möglich, daß sie noch immer über dicken, von einer feinen Staubschicht bedeckten Folianten gebeugt in der Bibliothek saß, völlig vertieft in ihre okkultistischen Studien. Tante Lizzy war nämlich eine Expertin auf diesem Gebiet. Und ihre Villa glich einer Mischung aus Museum und Bibliothek, in dem sich alle nur erdenklichen Bücher, Geheimschriften und Presseartikel befanden, die sich mit unerklärlichen Phänomenen
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