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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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zu den Männern: »Da auf der Mauer, der mit den roten Haaren, das ist mein Gemahl Alboin, der Meisterschmied!«
    Sie umarmte Ezra, zog sie in den Kreis der Zimmerleute und rief: »Alle herhören! Das ist der Zauberer, der mich gerettet und mir das Glück meines Lebens gebracht hat. Und jetzt auch noch euch!«
    Ihr Blick fiel auf Lucas. Irgendwo hatte sie diesen jungen Mann schon einmal gesehen. Vor langer Zeit. Aber wo? Dabei war sie sich sicher, dass er keiner ihrer Freier gewesen war.
    »Ich heiße Lucas«, stellte er sich vor. »Sag, weshalb nennst du meinen Freund den Zauberer ?«
    »Weil er Wunder vollbringt«, antwortete sie langsam. Jetzt wusste sie wieder, wann und wo sie diesen Mann gesehen hatte. Er hatte den Zauberer damals sehr verstört.
    »Welche Wunder?«
    Sie hob die Arme. »Viele.«
    Lucas fasste Heda an die Schulter. Jetzt erkannte er die Frau. Es war die Hure, die einst die Beziehung zwischen ihm und Ezra langfristig getrübt und mit dem Schmied das Lager geteilt hatte. Was machte sie hier? Weshalb nannte sie die Zimmerleute aus Prüm ihre Brüder?
    Er spürte eine Hand auf seiner und wandte sich um. Ezra schüttelte den Kopf und löste sanft seine Finger von Hedas Schulter. Einen kostbaren Augenblick lang hielt sie Lucas’ Hand fest.
    »Er erweckt Menschen zum Leben«, stieß Heda aus. »Menschen, die ganz woanders sind. Mit seiner Hand macht er, dass du sie vor dir sehen kannst.«
    Hedas kleiner Sohn zupfte an Lucas’ Kittel.
    »Warte, kleiner Mann«, sagte der Sohn des Baumeisters. »Ich muss deine Mutter etwas Wichtiges fragen. Dann hast du sie wieder für dich.«
    Er fragte Heda nach ihrem Namen.
    »Maria«, antwortete sie und sagte entschuldigend zu Ezra: »Jetzt darf ich meinen richtigen Namen wieder tragen; jetzt, da meine Familie hier ist.«
    »Maria«, sagte Lucas eindringlich. »Was meinst du damit, dass mein Freund Ezra Menschen, die ganz woanders sind, mit seiner Hand zum Leben erwecken kann?«
    Heda, die jetzt Maria hieß, zeichnete einen Kreis in die Luft.
    In Lucas’ Augen trat ein Leuchten. Ezra senkte die Lider.
    »Ein Bildnis«, murmelte er. Warum nur war ihm das nicht selbst eingefallen! Wer so gut zeichnen konnte wie Ezra, würde auch Menschen abbilden können.
    »Ruf deinen Mann herunter, Maria!«, rief einer der Brüder. »Wir wollen ihn kennenlernen!«
    »Ezra!«, flüsterte Lucas, »bitte, Ezra. Du kannst mir diesen Wunsch nicht abschlagen.«
    Er musste seine Bitte nicht einmal aussprechen. Sie wusste, was er wollte. Doch sie konnte ihn nicht ansehen. König Ludwig hielt es für einen Frevel, am heiligen Sonntag Zeilen über das Wissen zu schreiben. Wie viel größer aber war der Frevel, sich selbst abzubilden und dies als das Gleichnis eines anderen Menschen auszugeben? Würde denn der Täuschung niemals Schluss sein?
    »Ezra, ich flehe dich an!«, sagte Lucas. »Erschaffe mir ein Ebenbild von Xenia!«
    Sie hob die Lider blickte ihn aus leeren Augen an und schüttelte den Kopf.
    Verzweifelt griff Lucas nach ihren beiden Händen. Er zog Ezra an sich, schlang seine Arme um sie und schluchzte ihr ins Ohr: »Ich beschwöre dich, mein Freund! Ein Bildnis von ihr wäre das Glück meines Lebens! Du darfst es mir nicht verweigern!«
    Die Arbeiter hoch oben auf Mauer und Gerüst waren durch die lauten Rufe der Zimmerleute auf die Geschehnisse am Fuß des Baus aufmerksam geworden, blickten nach unten und gaben Kommentare ab.
    Iosefos hockte auf den Steinen, wo er sich ganz genau ansah, wie Alboin die neuartigen ansteigenden Ringankerstangen einlassen wollte. Die plötzliche Unruhe störte ihn. Dann hörte er einen Steinsetzer rufen: »Schaut nur, was mit dem Architectulus geschieht!«
    Iosefos richtete sich abrupt auf und spähte gleichfalls hinab. Was er sah, ließ seinen Atem stocken.
    Seine Tochter machte sich mit den auswärtigen Zimmerleuten gemein! Sie stand mitten unter ihnen, als wäre sie das Zentrum ihrer Welt. Sprach Ezra etwa? Es sah so aus. Wer war die fremde Frau, die sie jetzt unziemlich umarmte?
    Iosefos trat auf das Außengerüst und beugte sich vor, um besser sehen zu können. Das Brett unter ihm schwankte.
    »Iosefos!«, schrie Odo beunruhigt.
    Iosefos hörte ihn nicht. Fassungslos beobachtete er, wie Lucas seine Tochter in aller Öffentlichkeit an sich zog und umarmte. Und Ezra ließ sich das auch noch gefallen! Die Menschen um das Paar herum waren zurückgewichen, als könnten sie die zur Schau gestellte Innigkeit nicht ertragen. Der Baumeister atmete

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